Wenn es noch irgendeines Beweises dafür bedürfte, wie politisch einseitig der ORF berichtet, dann wird das am Vergleich der beiden Fälle des langjährigen Gemeindebundpräsidenten Alfred Riedl (ÖVP) und des Wiener Bezirksvorstehers Ernst Nevrivy (SPÖ) deutlich. In beiden Fällen geht es darum, dass die Betroffenen rechtzeitig Grundstücke gekauft haben, deren Wert durch Umwidmung sprunghaft gestiegen ist.
Der Unterschied in der Berichterstattung des ORF über diese beiden Fälle ist bemerkenswert und ein weiterer Beweis dafür, dass die viel gepriesene Objektivität des ORF in den Redaktionen für politische Berichterstattung völlig abhanden gekommen sein dürfte. Berichte über Nevrivy dienen praktisch ausschließlich dessen Entlastung. Dass seine Parteifreunde ihn mit einem Persilschein ausgestattet haben war erwartbar, die vom ORF interviewten Entlastungszeugen kommen weit überwiegend aus dem befreundeten Umfeld des Wiener SPÖ-Kommunalpolitikers. Dass diese Leute Nevrivy von jeder Schuld freisprechen, wird im ORF herzhaft gefeiert. So beispielsweise im Ö1-Mittagsjournal am 2. Oktober.
Ganz gegensätzlich fällt die Berichterstattung über den Fall Riedl aus. „Neue Vorwürfe belasten ÖVP-Riedl“ betitelte das Morgenjournal den Beitrag. Die im ORF erhobenen Vorwürfe klingen geradezu absurd. Riedl – er ist bekanntlich Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Grafenwörth – habe die Errichtung bzw. Verbesserung einer Lärmschutzwand durchgesetzt, um eine im Bau befindliche Wohnbausiedlung besser vor dem Lärm von der vorbeiführenden Autobahn zu schützen.
Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Wer soll die Errichtung oder Verbesserung einer Lärmschutzwand durchsetzen, wenn nicht der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde? Der Vorwurf des ORF an den ÖVP-Politiker: Die Kosten für die Erhöhung der Lärmschutzwand habe zur Gänze die Gemeinde getragen, also sei der Bürgermeister ein wesentlicher Profiteur gewesen.
Nicht einmal das stimmte. Von den Gesamtkosten für die Verbesserung der Mauer in Höhe von rund 350.000 Euro übernimmt knapp die Hälfte die Errichtungsgesellschaft für die Wohnbausiedlung, über die restlichen 180.000 Euro verhandelt die Gemeinde noch mit dem Autobahnbetreiber ASFINAG.
„Riedl kämpft um sein poltitisches Überleben“, kommentiert ORF-Berichterstatter Stefan Kappacher, der als Linksaußen der ohnehin mehr als linkslastigen Journal-Redaktion gilt. Bemerkenswert ist, dass in Grafenwörth nicht einmal die SPÖ den Rücktritt Riedls als Bürgermeister fordert, sondern sich neutral verhält. In diesem Fall übernimmt der ORF offensichtlich die Rolle der Opposition, denn alle Verfahren sind laut Bezirkshauptmannschaft abgeschlossen.