Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, der ORF fürchtet sich vor sich vor seinem eigenen Mut: da werden auf orf.at 1.) zu später Stunde Artikel eingestellt, die es 2.) nur auf wenige Stunden „Verweildauer“ bringen. Sollten diesen Artikel etwa nicht allzu viele lesen?

Den Beitrag zum heurigen „Goldenen Brett vorm Kopf“ halte ich für einen solchen Artikel: Dienstag Abend um 21.00 Uhr veröffentlicht, Mittwoch Vormittag schon herausgenommen. Dabei war schon der Einstieg passend: In der Rubrik „Science“(!) wird über ebendiesen Satirepreis berichtet, der für den „größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres“ vergeben wird. Aber hallo! Warum sollen das gar wenige lesen? Hat doch diesen renommierten Preis heuer niemand Geringerer erhalten als der deutsche Mediziner Sucharit Bhakdi.

Sucharit Bhakdi? Ist das nicht der …? Ja, das ist der – der Professor im Ruhestand, der sich traut, dem angeblichen Konsens innerhalb der Wissenschaft zum Thema Corona zu widersprechen (apropos wissenschaftlicher Konsens: Wie war das noch mal mit Galilei?). Damit hat er in diesem Jahr in von anderen Kandidaten nicht erreichtem Ausmaß die zahlreichen Kriterien für die Preisverleihung erfüllt, die da sind: Abwegigkeit der getätigten Behauptungen, Kritikresistenz bei faktenbasierter Widerlegung, finanzieller Profit, Verbreitungsgrad, Schaffung einer konkreten Gefahr durch pseudowissenschaftliche Thesen. Es geht aber noch superlativer: laut Artikel gab es „vielleicht noch nie einen Kandidaten, auf den das ‚Goldene Brett vorm Kopf‘ so perfekt gepasst hat wie auf ihn“. Bumm, das sitzt.

Ich werde mich jetzt nicht über das Thema Bhakdi & Corona verbreitern – aber ein paar Anmerkungen hab ich schon. Da ist zum Beispiel die Vita von Sucharit Bhakdi, die (sogar) auf Wikipedia nachgelesen werden kann. Meine Beurteilung: der Mann weiß, wovon er spricht. Ich hab mir auch ein paar Videos von ihm gegönnt – und ja, man mag seine pathetische Art nicht schätzen und vielleicht hat er bezüglich Schutzmaßnahmen nicht ganz recht, aber der Eindruck von profundem Wissen hat sich bei mir nur verfestigt.

Und schließlich ist da seine These (im ORF-Sprech: Verschwörungstheorie), dass ein Großteil der Bevölkerung längst immun sei. Schau, schau. Wer immun ist, braucht ja keine Impfung, oder? Dann ging mir noch eine Meldung durch den Kopf, die da nach den Lehrertests vor gut einer Woche veröffentlicht worden ist, dass nämlich 300 Lehrer positiv auf Corona getestet worden, sonst aber asymptomatisch gewesen wären. Ach geh, wirklich? Interessant nämlich auch, dass diese Meldung durchaus noch bei einigen Zeitungen nachgelesen werden kann - allerdings nicht mehr auf orf.at. Genau dort habe ich das aber gelesen. Jetzt finde ich nur mehr upgedatete (politisch korrekt nachjustierte?) Artikel ohne diese Information.

Das lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Dafür weiß ich, wen ich für das „Goldene Brett vorm Kopf 2021“ vorschlagen werde. Hier noch einmal die Kriterien (leicht abgeändert): Wie abwegig sind getätigte Behauptungen? Wie kritikfähig ist die Person, wenn sie mit Fakten widerlegt wird? (Achtung! Es gibt auch juristische Personen!) Profitiert die Person auch finanziell? Finden die getätigten Behauptungen große Verbreitung? Werden pseudowissenschaftliche Behauptungen fälschlicherweise als echte Wissenschaft ausgegeben und entsteht dadurch eine konkrete Gefahr? Sie dürfen jetzt genau einmal raten.

P.S.: Einen kleinen Nachtrag hab ich noch. Ich habe versucht, etwas über die Mitglieder der Jury, die den Preisträger auserkoren hat, herauszufinden. Da sollten doch einige Medizin-Kapazunder darunter sein, die es fachlich mit Prof. Bhakdi aufnehmen könnten. Leider nichts gefunden. Warum wohl?