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Punkt eins

AndereÖ1, Mo, 02.11.2020, 22:19 | Kurt Ceipek

Der Titel der Ö1-Sendung Punkteins klang vielversprechend. „Ist der Islam in der Krise?“ Schon in seinem ersten Satz machte der Moderator der Sendung, Philipp Blom, deutlich, in welche Richtung diese Diskussionssendung zu gehen hatte. „Als vor wenigen Wochen der fünfte Jahrestag das Attentat auf das Satiremagazin Charlie Hebdo kam, hielt der französische Präsident (Macron, Anm) eine Rede, in der er sagte, der Islam sei in der Krise und Frankreich würde keinen Separatismus hinnehmen. Damit stieß er eine Welle von weltweiten Protesten in islamischen Ländern los und – wohl auch in Reaktion darauf – wurde in Paris ein Geschichtslehrer von einem jungen Tschetschenen enthauptet und in Nizza wurden drei Menschen in einer Kirche ermordet.“

Dieser gewundene Satz ließe sich kürzer zusammenfassen: „Macron ist an den Morden schuld.“ Uns die gewünschte Tendenz der Sendung war auch aus dem Blom-Satz abzuleiten: „Wenn ein amerikanischer Evangelikaler einen Arzt erschießt, weil er Abtreibungen vornimmt, dann lastet man das auch nicht den Katholiken in Österreich an.“

Seltsame Aussagen für einen Moderator, der sich wahrscheinlich einbildet, neutral und objektiv zu sein.

Die Diskussionsteilnehmer waren nach ORF-Art ausgewählt. Ein Professor für Rechtswesen und Ethik an der Universität Wien namens Ebrahim Afsah und ein (aus ORF-Sicht möglichst moderater) Imam, der – im Gegensatz zu vielen anderen Imamen, die in Österreich arbeiten – der deutschen Sprache weitgehend mächtig ist.

Möglicherweise war die Regie mit den Äußerungen des Professors unzufrieden, der dem Islam bescheinigte, schon seit mehr als 300 Jahren in der Krise zu sein. Die Schlacht bei Mogersdorf im Jahr 1644 und jene auf dem Kahlenberg bei der Wiener Türkenbelagerung seien „der Endpunkt der islamischen Macht“ gewesen. Davon habe sich der Islam seit damals nicht erholt, „weil sie mental noch immer in dieser Vorzeit sind“, sagte Professor Afsah und fügte hinzu: Die von Islamisten ausgehende Gewalt sein kein Minderheitenproblem.

Der Islam sei schon immer gewalttätig. Europa und die westliche Welt seien von dieser Gewalt erst seit wenigen Jahren betroffen, weil Aggressionen und Kriege früher innerhalb islamischer Länder ausgetragen worden seien. Das habe man im Westen kaum wahrgenommen.

Philipp Bloms verzweifelter Versuch, die wahren Schuldigen – die bösen westlichen Demokraten – dingfest zu machen folgte sofort: „Das ist zum Teil auch ein postkoloniales Problem, das daher kommt, dass sich westliche Mächte in islamischen Ländern ausgebreitet haben.“ Und er beeilte sich, den Wahlwerbeslogan „Daham statt Islam“ hinzuzufügen, um die wahren Schuldigen an der Krise dingfest zu machen. ORF-Blom: Auch das Christentum sei gewalttätig gewesen, wie man an den Kreuzzügen sehe.

Dann kam die Rede auf den Überfall einer großen Gruppe junger türkischer Islamisten auf eine katholische Kirche in Wien-Favoriten. Hier galt es zu beschwichtigen und zu verharmlosen. Der Angriff sei von vielen islamischen Orgganisationen verurteilt worden, auch von dem in die Sendung geschalteten Imam. Das Motto: Alles halb so schlimm, ein Lausbubenstreich, niemand wurde der Hals abgeschnitten.

In der Mitte der Sendung stellte Philipp Blom auch eine richtige und wichtige Frage an Professor Afsah: „Wie ist es mit dem europäischen Islam? Ist das ein utopisches Projekt.“ Darauf der Professor ganz trocken: „Kurz gesagt, Ja.“ Problematisch seien nicht nur die Muslime, die sich den Bombengürtel anlegen. „Ganz normale Muslime lehnen einen liberalen Verfassungsstaat explizit ab.“

Alles in allem eine hörenswerte und zugleich entlarvende, vor allem aber erschreckende Sendung.