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Mittagsjournal

AndereÖ1, Mo, 11.05.2020, 14:05 | Werner Reichel

Das Wort „umstritten“ hat für den ORF eine ganz bestimmte, eine eigene Bedeutung. Es kommt stets zum Einsatz, wenn jemand eine der linken Ideologie bzw. Agenda widersprechende Ansicht, Forderung oder Meinung kundtut. Der Betreffende aber nicht mit der Faschismuskeule schnell und argumentationslos mundtot gemacht werden kann, weil es selbst dem ORF nicht gelingt, ihn in unmittelbare Nähe böser Rechtspopulisten und anderer rechter Schmuddelkinder zu rücken. So ist ein Experte mit nichtlinken Ansichten automatisch nur ein umstrittener, auch wenn er in seinem Fachgebiet eine weltweit anerkannte Koryphäe ist.

Der erfahrene und kritische ORF-Konsument hat das längst begriffen. Sobald er das Wörtchen hört, weiß er, jetzt müssen die Staatsfunker über etwas berichten, das ihnen gewaltig gegen den Strich geht, was sie wirklich aufregt. Wenn „umstritten“ dann auch noch mit dem Zusatz „höchst“ versehen wird, ist klar, dass ein ausgewiesener Fachmann oder eine echte Instanz bzw. Autorität einen Frontalangriff auf etwas gestartet haben, was dem gemeinen ORF-Apparatschik heilig ist. Zum Beispiel die EU.

Eine Ö1-Redakteurin kündigt zu Beginn des Mittagsjournals die Beiträge der Sendung an. Unter anderem spricht sie von einem „höchst umstrittenen Spruch des deutschen Bundesverfassungsgerichts“.

Den deutschen Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe als Bastion von Rechtspopulisten darzustellen, ist selbst für den ORF schwierig. Dieser Teaser ist abgesehen von der ORF-typischen Bewertung und Einordnung vor allem bemerkenswert, weil dieses Urteil schon vor einer Woche gefallen ist und vom ORF zunächst weitgehend ignoriert worden ist. Die EU-gläubigen und -hörigen Staatsfunker mussten es offenbar erst verarbeiten und abwarten, was die offizielle Linie der EU dazu ist und was Brüssel seinen medialen Helfershelfern vorgibt. Das haben von der Leyen und Co. jetzt getan.

Zur Erklärung, der Bundesverfassungsgerichtshof hat der Whatever-it-takes-Politik der EU eine Abfuhr erteilt. ORF-Watch-Autor Andreas Unterberger hat das Urteil auf seinem Blog so zusammengefasst:

Die Richter haben festgestellt,

  • dass die EZB durch die europäische Rechtsordnung nicht zum Ankauf von 2,2 Billionen Euro von Staatsanleihen berechtigt gewesen ist, die sie in den letzten fünf Jahren erworben hat,
  • dass die Europäische Zentralbank rechtswidrig ihre Beschlüsse nicht auf deren Verhältnismäßigkeit überprüft hat,
  • dass der Verweis auf das (Anmerkung: höchstproblematische) Ziel einer höheren Inflation keinesfalls ausreicht, um die Ankäufe zu rechtfertigen,
  • dass die deutsche Regierung deswegen dagegen vorgehen hätte müssen,
  • und – am wichtigsten – dass ein anderslautendes EuGH-Urteil, das das Verhalten der EZB voll gerechtfertigt hatte, "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar" und deshalb nicht bindend sei.

Ö1 berichtet ausschließlich aus der (angefressenen) EU-Perspektive, geht nicht konkret auf das Urteil und schon gar nicht auf seine Begründung und die Hintergründe ein, sondern stellt es als ungerechtfertigten, unqualifizierten Angriff auf die EU dar. Dass die deutschen Verfassungsrichter, die nicht gerade für ihre EU-Skepsis bekannt sind, ihr Urteil gut und rechtlich nachvollziehbar begründet haben, ist dem ORF wurscht.

Auch unser Mann in Brüssel, Johannes „Gio“ Hahn, darf sich über den Spruch ereifern. Zur Untermauerung, warum der Spruch gefährlich, nationalistisch und höchst umstritten sein muss, auch wenn man ihn in seiner Tragweite gar nicht richtig begreift, wird betont, dass die böse polnische Regierung das Urteil begrüßt habe. Wenn das kein Beweis ist.

Dass dieses Urteil, das trotz der offen gelassenen Hintertüren, vor allem für EU-Nettozahler wie Österreich, die seit Jahren für die südeuropäischen Schuldenstaaten finanziell bluten müssen, geradezu sensationell ist, blendet man völlig aus. Ein deutsches Gericht stellt die völlig aus dem Ruder gelaufene sozialistische Schulden-Politik und -Vergemeinschaftung in Frage. Das geht für Brüssel und den ORF gar nicht. Wie so oft informiert der höchst umstrittene ORF nicht nur nicht neutral und umfassend, sondern berichtet und arbeitet gegen die Interessen Österreichs und seiner steuerzahlender Bürger.

PS: In einem andern Journalbeitrag aus Deutschland betont der ORF, dass die Tausenden Menschen, die am Wochenende in den Städten gegen die Corona-Maßnahmen und die Einschränkungen der Bürgerrechte demonstriert haben, „nicht repräsentativ seien“. Das hat ein ORF-Journalist wohl noch nie über linke Demonstranten gesagt, obwohl das praktisch bei allen Demos der Fall ist, so wie übrigens jede Meinung außerhalb von totalitären Systemen umstritten ist.