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Mittagsjournal

AndereÖ1, Mo, 14.10.2019, 17:53 | Werner Reichel

Für den ORF gibt es solche und solche Skandale. Die großen Skandale, die die ganze Republik erschüttern und solche, die halb so schlimm sind, über die man nur deshalb berichtet, weil es andere Medien auch tun. Nicht, weil man sie selbst für irgendwie problematisch, relevant oder sonst wie berichtenswert hält.

Welcher Skandal in welche Kategorie fällt, hat nichts damit zu tun, worum es geht, sondern wer involviert ist. Es gilt die Faustregel: Wenn Grüne oder Rote beteiligt sind, ist es immer ein Skandal der zweiten Kategorie. Auch wenn es dabei um Millionenbeträge und schwerste Vorwürfe wie Amtsmissbrauch oder Bestechlichkeit geht. Wie in der Causa Chorherr.

Auf Antrag der Neos hat heute ein Sondergemeinderat zum Thema „Gefälligkeits-Flächenwidmungen der Ära Christoph Chorherr" stattgefunden. Darüber musste der ORF berichten. Auch im Ö1-Mittagsjournal ist man dieser Verpflichtung widerwillig nachgekommen. Dass die Oppositionsparteien einmal mehr Aufklärung verlangen und die Causa im Gemeinderat debattieren, wertet der Ö1-Moderator als Start des Wiener Wahlkampfes. Es geht der Opposition demnach nicht um die im Raum stehenden Machenschaften, sondern nur um Stimmen und Wahltaktik. Interessant. Die Wiener Wahl findet aller Voraussicht nach erst in einem Jahr statt. Dass die Skandale und Affären der Blauen mit großer Verlässlichkeit stets wenige Tage vor einer wichtigen Wahl medial aufpoppen, ist hingegen nur Zufall und wird deshalb auch vom ORF nicht thematisiert. Auch nicht, dass die selbsternannte Partei der Anständigen wenig bis kein Interesse zeigt, endlich Licht ins Dunkel dieser Affäre zu bringen.

Auch im Journal-Beitrag geht es vor allem um die angeblich bösen Absichten der Oppositionsparteien, nicht um die Chorherr-Affäre: „Dubiose Flächenwidmungen, Korruption, Mega-Skandal: Mit solchen Vorwürfen versuchen die drei Rathaus-Oppositionsparteien Neos, ÖVP und FPÖ die amtierende rotgrüne Stadtregierung politisch anzupatzen.“

Außerdem würden sie wegen der Wahl die Affäre weiter „heftig am Kochen halten“. Im ganzen Beitrag wird nicht auf die Causa Chorherr eingegangen: Wer hat wieviel gespendet, sind die Spendengelder in Millionenhöhe tatsächlich ausschließlich in zwei afrikanische Schulprojekte geflossen, gibt es Zusammenhänge zwischen Spenden und Flächenumwidmungen etc. Für investigative Journalisten ein weites Betätigungsfeld.

Doch es kommt nichts. Es geht in dem Beitrag ausschließlich darum, dass die Opposition angeblich versucht, die Grünen bzw. die rotgrüne Stadtregierung „anzupatzen“.

Das ist für den ORF der eigentliche Skandal. Mit seiner tendenziösen und lückenhaften Berichterstattung schafft es der Linksfunk, nicht von seinem simplen Links-rechts- und Gut-Böse-Schema abweichen zu müssen. Grüne und Rote sind nach dieser ORF-Erzählung nur die Opfer einer böswilligen nichtlinken Opposition.

WasChorherr seinerzeit tatsächlich so getrieben hat, will man gar nicht wissen. Vermutlich aus gutem Grund.