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Ö1 Journal um acht

oe1Andere, Di, 07.08.2018, 11:29 | Werner Reichel

Die neuen US-Sanktionen gegen den Iran sind heute in Kraft getreten. Unter anderem geht es darum, dass der Iran keine US-Dollar mehr erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Der ORF berichtet im Morgenjournal und auch in seiner TV-Frühnachrichtensendung um 8.30 Uhr. Sowohl inhaltlich, aber viel mehr noch über Tonalität und Präsentation wird dem Rezipienten vermittelt, wo die Sympathien in diesem Konflikt zu liegen haben. Natürlich nicht bei Donald Trump. Nun kann man über die Sanktionen geteilter Meinung sein, aber darum geht es nicht. Es geht um viel Grundsätzlicheres.

Wenn es gegen den dummen und bösen Kapitalisten und US-Imperialisten Trump geht, ist der Linken jeder Politiker, jedes Regime, jeder Massenmörder recht. Soviel Blut kann gar nicht an seinen Händen kleben. Nur damit man weiß, wie es im iranischen Gottesstaat zugeht. Die Informationsplattform humanrights.ch beschreibt die Zustände so:

„In Iran finden jährlich hunderte Hinrichtungen statt, darunter viele wegen Drogendelikten. Auch zur Tatzeit minderjährige Straftäter werden hingerichtet. Grausame Körperstrafen wie Amputationen, Blendungen und Auspeitschungen werden gerichtlich angeordnet und vollstreckt. Die Strafen werden teilweise öffentlich vollzogen. Fälle von Verschwindenlassen sind dokumentiert. Journalisten/-innen, Regierungskritiker/innen und Menschenrechtsverteidiger/innen und Aktivisten/-innen werden oftmals willkürlich festgenommen und ohne faire Gerichtsverfahren verurteilt, wobei diese politischen Häftlinge im Gefängnis besonders häufig unter Folter, Misshandlungen und fehlender medizinischer Behandlung leiden. Die Gefängnisse sind stark überfüllt und verschiedene Kategorien von Inhaftierten werden nicht voneinander getrennt. Einige politische Gefangene sind deshalb in den Hungerstreik getreten. Meinungsäußerung-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden von den Behörden stark eingeschränkt. Internetseiten von sozialen Medien werden zeitweise blockiert und kritische Medienbetriebe geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt. Sämtliche Initianten für mehr Frauenrechte werden im Keim erstickt. Vor allem im Hinblick auf reproduktive und sexuelle Rechte drohen weitere Verschlechterungen. Kinder, Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten sehen sich ebenfalls sowohl durch die Gesetzgebung als auch in der Gesellschaft Diskriminierungen ausgesetzt. LGBTI-Personen werden Elektroschocks ausgesetzt, um sie zu ‚heilen‘.“

Aber was ist das alles im Vergleich zum bösen Donald und seiner "menschenverachtenden" Politik? Der in Europa weit verbreitete Antiamerikanismus hat sich durch Trump zur regelrechten Massenhysterie gesteigert, permanent befeuert durch Medien wie den ORF. Dass es der US-Wirtschaft blendend geht, die Arbeitslosenzahlen so niedrig wie seit Jahren nicht mehr (auch unter den Afroamerikanern) sind und sich die USA beim Kriegführen zurückhält - unter seinem Vorgänger Obama war das noch ganz anders -, all das zählt nichts. Hingegen wird heute stolz im ORF erwähnt, dass der Iran, trotz der (bösen) Sanktionen, an dem windigen Atomdeal mit Europa festhält. Was für eine Ehre.

Dieses Verhalten hat Michel Houellebecq in „Unterwerfung“ sehr gut beschrieben. In dem Roman unterstützt die französische Linke die Islamisten, nur um eine rechtspopulistische Regierung zu verhindern.

Irgendwann hat die Linke begonnen, den rechten Popanz, an dessen Erschaffung sie vor allem nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus gearbeitet hat, tatsächlich für eine reale, für die größte Gefahr überhaupt zu halten, während sie den Islamismus systematisch verharmlost und lediglich als Reaktion auf Kapitalismus und US-Imperialismus begreift.

Andererseits ist eine solche Geisteshaltung, eine solche journalistische Ausrichtung durchaus zukunftsorientiert. Schließlich befinden wir uns auf dem Weg vom transatlantischen zum pazifischen Zeitalter. Die Machtzentren der Welt verschieben sich. Europa liegt nicht mehr im Zentrum, sondern an der Peripherie. Und wir werden – unter anderem durch die unkontrollierte Massenzuwanderung und durch die Politik in Brüssel, Paris und Berlin – immer mehr zu „Eurabien“. Diese Transformation ist für Menschen ohne ideologische Scheuklappen unübersehbar. Der kluge Linke baut eben instinktiv vor, vor allem, wenn er Journalist bei einem öffentlich-rechtlichen Sender ist.