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Am Schauplatz

ORF2, Do, 09.07.2015, 23:14 | Werner Grotte

Ziemlich grausliche und authentische Bilder sah man heute, als „am Schauplatz“ den Wiener Praterstern besuchte, um sich mit sogenannten „Sandlern“ gemein zu machen. Natürlich sollte Journalismus möglichst hautnah stattfinden, aber der zuständige Redakteur verbrüderte sich quasi mit seinen Darstellern, während er Stänkerern erklärte, er mache hier ja nur seine Arbeit und sehe das alles „neutral“.

Natürlich war es nicht schwer, einige Obdachlosen-Klassiker zu finden, also jene – meist Männer –, die nach Beziehungs- und/oder Arbeitsverlust mit zu viel Alkohol in Berührung kamen und nun auf der Straße sitzen. Es fanden sich vereinzelt aber auch „Sandler“, die nicht saufen und trotzdem im Zelt schlafen.

Insgesamt entstand der Eindruck, dass der überwiegende Teil jener, die auf der Straße leben und von Caritas und Fonds Soziales Wien (FSW) betreut werden, nicht in Österreich geboren sind. „Ich bin Pole, der da ist Tirke und der da glaube ich Ex-Jugoslawien. Und wir nicht streiten, obwohl der dort ist Moslem“, beschrieb ein Betroffener recht fröhlich seine Umgebung. Andere sagten nichts, weil sie entweder kein Deutsch oder schlicht und einfach nicht mehr reden konnten und nur noch auf Bänken herumlagen.

Man sah Bilder des neuen Tageszentrums P7 am neuen Hauptbahnhof, untergebracht in der ehemaligen Redaktion des Staatsorgans „Wiener Zeitung“ am Wiedner Gürtel 10. Hier bietet man Obdachlosen aus aller Welt nicht nur Betten zum Ausruhen, sondern auch Dusch-, Wäschewasch-, Koch- und Ess-Gelegenheiten. Sogar Internet-Surfen mittels WLAN und eigener Computer ist möglich, Betreuung und Weitervermittlung durch Sozialarbeiter sowieso. Auch Alkohol ist erlaubt.

Wo die Menschen nach der Sperrstunde um 18.00 zum Schlafen hingehen, wollte der dort gerade mit dem Einsammeln von schmutziger Wäsche beschäftigte Sozialarbeiter nicht genau sagen: „In Abbruchhäuser, unter der Brücke oder in Notschlafstellen“. Letztere gibt es – neben einer ganzen Reihe fixer Wohnheime für Mittellose – in Wien zuhauf. Aber selbst bei den Notschlafstellen würde das Angebot von 300 Plätzen mit einem Bedarf von mehr als 1.000 Bedürftigen massiv überschritten.

Natürlich: Wer Obdachlosen ein Schlaraffenland bietet, darf sich nicht wundern, dass ein wahrer Sandlertourismus aus ganz Europa Richtung Wien stattfindet. Aber mittlerweile platzen in Wien ja nicht nur die Sozialeinrichtungen, sondern auch Gefängnisse und Asylanten-Heime aus allen Nähten. Wie lange wir uns das noch leisten können, ist nicht schwer auszurechnen.

Davon berichtete der ORF allerdings nichts. Sein Credo, ausgerufen durch einen stark illuminierten Jugendlichen: „Tuat‘s wos für uns!“.