Wenn es nach Ö3 und Arbeiterkammer Wien geht, dann sind Arbeitgeber in Ostösterreich vor allem Ausbeuter und moderne Sklavenhalter.
Zunächst eine Klarstellung: Ich bin kein repräsentativer Ö3-Hörer (was ich trotz meiner Jahre sein könnte, wäre da nicht das nervtötende Moderatoren-Geschwurbel). Mein Zufallskonsum beschränkt sich auf die Minuten im Badezimmer, das Kaffeemachen in der Küche und gelegentliche Autofahrten.
Bei einer dieser letzteren geriet ich am Donnerstag (19.01.2023) in das Ö3-„Journal um Fünf“ (gemeint ist 17 Uhr). Nach Berichten über die Inflationsentwicklung und den gewohnt unverbindlichen Ankündigungen von EZB-Chefin Lagarde drehte der Unterton von Moderator Rainer Hons ins Larmoyante, ja Anklagende: Eine Online-UMFRAGE der Arbeiterkammer habe ergeben, daß 90 % der Beschäftigten in unserem Lande selbst dann zur Arbeit gingen, wenn sie krank wären.
Der Beitrag selbst hörte sich an, als ob er direkt von der Arbeiterkammer gestaltet worden wäre. Nein, schlimmer noch: In deren Aussendung wurde wenigstens – verschämt aber doch – angemerkt, daß „die Ergebnisse im statistischen Sinne nicht repräsentativ sind“. Dieses Eingeständnis aber verkniff sich die Reporterin – denn das hätte wohl den Effekt „self-destroying“-Meldung gehabt. Einmal abgesehen davon, daß die AK in der Aussendung einräumte, daß es sich um keine „Befragung“ handelte, sondern der Fragebogen bloß auf der Homepage der AK Wien „im Oktober 2022 … abrufbar war und über soziale Medien beworben wurde“. In Summe hätten 7.412 Personen die Befragung angeklickt, 6.506 „Arbeitnehmer:innen“ die Fragen vollständig ausgefüllt.
Dagegen werden selbst dubioseste Polit-Umfragen (gekauft oder nicht) zu fast schon hochwissenschaftlichen und seriösen Angelegenheiten. Trotzdem: die alte Journalisten-Weisheit, dass eine Recherche die beste Geschichte zusammenhauen kann, dürfte im konkreten Fall Nebensache gewesen sein. Denn jeder Satz des Beitrages atmete die unverkennbare unternehmens- und wirtschaftsfeindliche Tendenz. Soll heißen Arbeitgeber sind Ausbeuter, ja moderne Sklavenhalter.
Ich weiß nur nicht, was mich mehr stört: Die suggestive Art der AK-„Umfrage“ - oder der tendenziöse Ö3-Journalbericht darüber. Aber: Wäre das keine Umfrage wert?
Matthäus Kattinger ist jahrzehntelang erfahrener Journalist, der viele Jahre als Redakteur und Journal-Regisseur für den ORF gearbeitet hat, als dieser noch als seriös und objektiv galt. Die letzten Jahre seines Berufslebens war Kattinger Wirtschaftskorrespondent für Österreich der angesehenen Neuen Zürcher Zeitung.