Wenn Wiens umstrittener Bürgermeister Michael Ludwig in der Pressestunde gastiert, darf man sich als politisch interessierter Österreicher auf eine heiße Diskussion freuen. Etliche Skandale laden Journalisten zu scharfen Fragen ein. Die Einstiegsfrage von ORF-Aufsteiger Matthias Westhoff war das Gegenteil davon. Er fragte: „Herr Bürgermeister, wer ist eigentlich Chef/Chefin in der SPÖ?“
Welche Antwort kann der ORF-Mann dabei erwartet haben? Dass Ludwig sagt, er sei der Chef? Oder gar, dass der wahre SPÖ-Chef der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil sei? Was hätte er sonst sagen sollen, als dass Pamela Rendi-Wagner „eindeutig“ die Parteichefin sei. Ja, eh.
Die zweite Frage war ähnlich flügellahm und unnötig. Ob er, Ludwig, der mächtigste Mann in der SPÖ sei. Wieder war die Schön-Antwort aufgelegt, um großzügig, edel und bescheiden bei den Zuseherinnen und -hörern zu landen. Er sei einer der Landesparteivorsitzenden und „ich leiste meinen Beitrag wie jeder andere auch“. Brave Frage, brave Antwort.
Zum aktuell besonders brisanten Thema Asyl-Krise meinte der Bürgermeister, es gebe in Österreich bekanntlich „flächendeckend eine dringende Nachfrage nach Arbeitskräften“. Die naheliegende Frage, ob nicht viele dieser vorwiegend jungen Männer vor allem wegen des günstigen Sozialsystems in Österreich eingedrungen seien und sich gar nicht integrieren wollen, blieb natürlich aus. Viele dieser illegalen Zuwanderer zeigen keinerlei Interesse, zügig die deutsche Sprache zu erlernen und mit legaler Arbeit Geld zu verdienen. Dennoch erklärte Ludwig, diese Zuwanderung wäre positiv, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stabilisieren.
Ein einigermaßen kritischer Journalist hätte an dieser Stelle vermutlich sofort nachgehakt, warum den solche von kriminellen Schleppern eingeschleuste junge Männer mit kostenlosen Wiener Gemeindewohnungen versorgt werden und dort ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigen und – nach Urteil der Geschworenen des Gerichtsverfahrens – ermorden. Ludwig zum Thema Asyl-Krise: Das Asylproblem sei eine Herausforderung, die sich nicht für „parteipolitisches Geplänkel“ eigne. Mehr wischi-waschi-Antwort geht nicht. Als Lösung wünschte sich Ludwig wieder einen Flüchtlingsbeauftragten wie den einstigen Raiffeisen-Boss Christian Konrad bei der ersten großen Asyl-Krise im Jahr 2015.
Bei vielen der Fragen wurde man als Zuhörer den Verdacht nicht los, dass diese von den Beratern des Bürgermeisters gewünscht und vielleicht sogar mit den Fragestellern abgestimmt waren. Zu glatt und geschniegelt kamen die Antworten, die sich oft anhörten, als wären sie gut einstudiert gewesen. Beweisbar ist so etwas natürlich nicht, weil vermutlich gibt es über solche Vereinbarungen nicht einmal E-Mails oder Chat-Nachrichten. Spitzenpolitiker und ihre engen Mitarbeiter sind in dieser Hinsicht vorsichtig geworden.
Eine der wenigen guten Fragen kam von Veronika Dolna (Kleine Zeitung) zum Thema Wien-Energie-Milliardenskandal, ob nun das Verhältnis zwischen Ludwig und dem Finanzminister Magnus Brunner „zerrüttet“ sei, weil dieser den mutmaßlichen Skandal an die Öffentlichkeit gebracht hat. Dann durfte Michael Ludwig breit erläutern, dass die Gemeinde Wien und er in dieser Frage ohnehin alles richtig gemacht hätten. Die Zusatzfrage, ob auf dem Handy des Bürgermeisters „politisch brisante Nachrichten“ zu finden seien, lautete Ludwigs no-na-net-Antwort: „Das nehme ich nicht an.“
Aber der mächtige SPÖ-Landeschef zeigte sich überzeugt, dass die Justiz es nicht verlangen werde, dass er sein Handy herausrücken solle. Damit dürfte er richtig liegen, denn die Wiener SPÖ konnte sich auf die Justiz und vor allem auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA in kritischen Zeiten stets verlassen.
PS: Mit einem freundlichen „Grüß Gott und schönen guten Morgen“ hatte Michael Ludwig seine beiden Gesprächspartner und die Zuseherinnen und Zuseher bei Sendunbsbeginn begrüßt. Offensichtlich ist ihm entgangen, dass sein Parteifreund Kai Jan Krainer für Wien ein strenges „Grüß-Gott-Verbot“ ausgegeben hat.