Ein direkter Vergleich der Hauptnachrichtensendungen Zeit im Bild 1 und den zehn Minuten davor beginnenden Servus-Nachrichten beschert den Zusehern immer wieder besondere Aha-Erlebnisse. Am Montag war die Spitzenmeldung in Servus TV der Flüchtlings- und Asylkrise in Österreich und in anderen Flüchtlings-Zielländern der EU gewidmet.
„Kein Land ist derzeit so stark vom Asyl-Ansturm betroffen wie Österreich. Das belegen die aktuellen Einwanderungszahlen. Selbst ehemals einwanderungsfreundliche Länder wie Dänemark, Schweden oder Deutschland verzeichnen deutlich weniger Anträge“, eröffnete der Moderator Hans Martin Paar. Konkret seien in Österreich seit Jahresbeginn 10.700 Asylanträge pro Million Einwohner gestellt worden. In Deutschland waren es lediglich 1.885 Anträge pro Million Einwohner, in Schweden 1.619 und im sozialdemokratisch regierten Dänemark gar nur 603. Lediglich in Zypern waren es noch mehr Asylanträge pro Million Einwohner. In das Land mit nur rund 900.000 Einwohnern zieht es aber vor allem wohlhabende Asylanten.
Die auf die Servus-Nachrichten folgende ZiB1 setzte völlig andere Schwerpunkte: Spitzenmeldung war ein Erdbeben auf der indonesischen Insel Java, darauf folgte eine Meldung, dass die Spieler der iranischen Fußball-WM-Mannschaft darauf verzichtet haben, beim Abspielen der Nationalhymne mitzusingen. Das Meldungs-Spitzentrio des ORF rundete ein Bericht darüber ab, dass Österreich nach wie vor zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst.
Die Meldung, dass Österreich das von der Asylkrise am meisten betroffene EU-Land ist, war in der gesamten Sendung nicht zu finden. Man muss in Medien also nicht unbedingte lügen, um die Nachrichtenkonsumenten zu manipulieren. Viel einfacher geht das, wenn die wirklich wichtigen Meldungen einfach verschwiegen werden – und da hat der ORF in den letzten Jahren eine hohe Meisterschaft entwickelt.
Im § 4 des ORF-Gesetzes ist klar festgelegt, dass der Österreichische Rundfunk zu sorgen habe für „die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen“. Aber um solche Kleinigkeiten kümmert man sich beim mächtigen Medienriesen schon lange nicht mehr. Und so wichtig ist dem ORF die Asylkrise noch nie gewesen. Immerhin ist die Noch-SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zur Erkenntnis gelangt, dass es in Österreich gar keine Asylkrise gibt.