In einer Welt, in der es Pressefreiheit und Meinungsfreiheit gibt, sollte sich jeder Mensch aussuchen können, ob er einem Medium ein Interview gibt oder nicht. Das mag für viele gelten, aber nicht für den ORF. Wer dem ORF ein Interview verweigert, der wird unerbittlich von der Redaktion als Bösewicht verurteilt und an den Pranger gestellt. Solche Fälle häufen sich, weil man im ORF offenbar der Überzeugung ist, dass Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf Anfrage widerstandslos und unverzüglich für ein Interview bereit zu stehen haben. Manche wollen aber verständlicherweise nicht.
Im Mittagsjournal von Donnerstag beklagte sich ORF-Moderatorin Helene Seelmann bitterböse über den wahlkämpfenden Tiroler VP-Spitzenkandidaten Anton Mattle. Der hatte aus Termingründen ein Interview vor der Landtagswahl abgelehnt und auch kein Interesse an einem Gespräch vor dem Wahltag gezeigt.
Dem ORF in einem schwierigen Wahlkampf kein Interview geben zu wollen ist verständlich. Vor allem gilt das für bürgerliche Politiker. Während grüne, sozialdemokratische oder andere linke Politiker damit rechnen dürfen, vom ORF korrekt oder besonders freundlich behandelt zu werden, muss man als dem bürgerlichen Lager angehöriger Kandidat mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, vom ORF-Interviewer attackiert oder bloßgestellt zu werden.
In ganz besonders starkem Ausmaß gilt das in Wahlkampfzeiten.
Meist steckt die Bösartigkeit schon in der Formulierung der Fragen, die oft so gestellt sind, dass die Verurteilung schon im Fragetext enthalten ist. Wenn dann womöglich auch die Antwort auf eine heimtückische Frage nicht besonders glücklich formuliert ist, dann muss der Interviewte mit allen erdenklich unangenehmen Folgen rechnen.
So betrachtet ist es nicht erstaunlich, dass immer mehr Politiker auf die Interviewer des ORF, die vielfach an mittelalterliche Inquisitoren erinnern, liebend gerne verzichten. Über missverständliche Antworten oder irgendwelche Ausrutscher wird in allen möglichen Medien tage- oder wochenlang gelästert oder verurteilt. Nicht gegebene Interviews ärgern nur die ORF-Redakteure, haben aber sonst keine nennenswerten Folgewirkungen.
Vorbei sind auch die Zeiten, in denen der ORF Wahlen entscheiden konnte. Wähler von heute holen ihre Informationen und Entscheidungsgrundlagen immer weniger aus ORF-Sendungen in Fernsehen und Hörfunk und immer öfter aus anderen Kanälen. Zu viele misstrauen dem ORF immer mehr, die ORF-Einschaltquoten nähern sich der Geringfügigkeitsgrenze und die Glaubwürdigkeit von ORF-Nachrichten tendiert Richtung Nullpunkt. Zu oft wird Wichtiges verschwiegen. Zu lange hat der ORF seine extrem linke Schlagseite unter Beweis gestellt.
Wie hinterhältig der ORF den aktuellen Tiroler Wahlkampf beeinflussen will zeigte auch dieses Mittagsjournal. Die Tirol-Berichterstattung begann mit einem mehr als unfreundlichen Beitrag über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen die ÖVP, zu dem drei Tiroler ÖVP-Politiker vorgeladen waren, die mit angeblicher Korruption auf Bundesebene kaum etwas zu tun haben können. Dann folgte ein überaus freundliches Interview mit dem Spitzenkandidaten der Tiroler SPÖ, Georg Dornauer. Da gab es keine Widerrede und keine Unterbrechungen durch die ORF-Interviewerin.
Dann folgte die eingangs erwähnte Beschwerde über die Interviewabsage von Anton Mattle. Spätestens dann war jedem interessierten Zuhörer klar, dass in Tirol ein Wahlkampf in aller Härte geführt wird und noch klarer, auf welcher Seite dabei der ORF steht.