„Die Ukraine fordert den Abzug aller russischen Truppe“, entrüstete sich ein ORF-Reporter in der ZiB 1 über die erste Runde der Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Noch dazu habe der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyi die EU „offiziell um die Aufnahme von Beitrittsgesprächen gebeten“. Das kommentierte der Reporter tadelnd mit dem Satz: „Das dürfte in Russland nicht gut ankommen.“
Da drängte sich bei vielen Zusehern zwangsläufig die Frage auf: Was sollten die ukrainischen Verhandler denn sonst fordern als den Abzug der russischen Panzer und Raketen? Dass Russland nur die Hälfte der Ukraine und vielleicht auch das Regierungsviertel der Hauptstadt besetzen darf, wenn die Ukrainer die andere Hälfte behalten dürfen? Über die skurrilen russischen Forderungen wie eine völlige Entwaffnung (und damit Selbstaufgabe) der ukrainischen Abwehrkämpfer erregte sich der Reporter gar nicht.
Zum Teil muss man die ORF-Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine aber loben. Mit Christian Wehrschütz verfügt der ORF in Kiew über einen Korrespondenten, der sich durch seine langjährigen Erfahrungen mit dem Land und dank seiner Kenntnisse der Landessprache auszeichnet. Ergebnis ist eine äußerst sachliche und ungeschminkte Berichterstattung, die sich wohltuend vom manchmal zu aufgeregten Gefasel anderer Kriegsberichterstatter abhebt.
Wehrschütz dürfte von allen Korrespondenten im gesamten deutschsprachigen Raum über die besten Kontakte verfügen. Aber mit dummdreistem Tadel wie „Die Ukraine fordert den Abzug aller russischen Truppen“ macht der ORF den ausnahmsweise guten Eindruck gleich wieder zunichte.