Dass der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ein besonders kritikfreudiger und kämpferischer Genosse ist, aber nicht die hellste Birne auf dem Kronleuchter, ist vielen politischen Beobachtern schon seit einiger Zeit klar. Im Abendjournal bestätigte der SPÖ-Politiker eindrucksvoll die Worte seines früheren Bürgermeisters Michael Häupl, der 2005 treffend formuliert hatte, „Wahlkampf ist eine Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passieren halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit sind – leider auch in der eigenen Partei."
Was war passiert, was den Gemeindepolitiker Hacker so sehr erregte? In einem Realgymnasium in der Wiener Josefstadt stand eine Lehrerin unter Verdacht, sie könnte bei einem Italien-Aufenthalt vor wenigen Tagen mit dem Corona-Virus infiziert worden sein. Die logische Folge: Die Schule wurde gesperrt und die Lehrerin untersucht. Glücklicherweise erwies sich der Verdacht als unbegründet und die Schüler durften ein paar Stunden später nach Hause.
Das veranlasste Hacker zu „harscher Kritik“, wie es die Journal-Moderatorin formulierte. Diese Maßnahme einer Schulsperre sei übertrieben und Schuld daran sei das Bildungsministerium, weil dieses Ministerium werde von der ÖVP geführt.
Da drängt sich die Frage auf, was an einer kurzfristigen Schulsperre falsch sein könnte. Man stelle sich vor, der Corona-Verdacht bei der Lehrerin hätte sich bestätigt und zahllose Schüler und Lehrerkollegen wären – möglicherweise auch bereits infiziert – schon in der ganzen Stadt unterwegs gewesen. Dann wäre ein empörter und entsetzter Aufschrei völlig berechtigt gewesen.
Die Kritik des SPÖ-Hackers war deshalb – milde ausgedrückt – ein wenig seltsam. Dass bei einem Verdacht unverzüglich die notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen, ist eine Selbstverständlichkeit. Das hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern nur mit dem konsequenten Kampf gegen die Verbreitung der gefürchteten Krankheit. Solange das funktioniert, wird es gelingen, die Ausbreitung des Corona-Virus im Zaum zu halten.
Kritiker, die lieber ORF-Watch tadeln als den ORF, werden nun einwenden, dem ORF könne man nicht vorwerfen, wenn ein zweit- oder drittklassiger Politiker Unsinn redet. Aber hier ist der ORF mindestens ebenso zu kritisieren, wie der seltsame Herr Hacker. Diese Äußerung des Kommunalpolitikers war für jeden aufmerksamen Journalisten als völlige Nullnummer erkennbar, die man – auch im Interesse des Politikers – besser unter den Tisch fallen lässt.
Aber der ORF macht daraus die Spitzenmeldung im Abendjournal und stellt die „harsche Kritik“ Hackers voran. Grund dafür wird wohl sein, dass der rote Stadtrat unbedingt wieder einmal etwas in ein ORF-Mikrofon sagen wollte, weil schließlich läuft der Wiener Gemeinderatswahlkampf auf Hochtouren. So einen Wunsch kann die Journalredaktion einem wackeren Parteigenossen nicht abschlagen. Auch wenn die Äußerung noch so dumm ist.
Aber Wahlkampf ist eben die Zeit fokussierter Unintelligenz.