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Kurt Ceipek (Ö1 Sa, 22.02.2020, 12:19)
Mittagsjournal – Im Journal zu Gast

Ein Lieblingsthema des ORF ist derzeit die Debatte über Missstände in der österreichischen Justiz. Motto: Der Kurz ist schuld, weil er  die Justiz in Frage stellen will. Im Mittagsjournal hüpfte der ORF wieder einmal vor, wie man ein solches Diskussionsthema gekonnt am Köcheln hält.

Kanzler Sebastian Kurz hatte bekanntlich in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten auf Anfrage eher dezent Kritik an einzelnen Staatsanwälten geübt, ohne einen davon beim Namen zu nennen. Der ORF will seinen Zuhörern seither weismachen, der Kanzler habe die Justiz insgesamt in Frage gestellt.

Wer sich also einen Auftritt im ORF wünscht, muss nur davor warnen, über „die Justiz zu diskutieren oder gar diese in Frage zu stellen“. Wobei jeder der Befragten dazu sagt: ”Fehler in der Justiz zu kritisieren muss erlaubt sein.“ Das gilt allerdings nur allgemein, nicht wenn die ÖVP oder gar die FPÖ Kritik an einzelnen Vertretern der Justiz üben, die möglicherweise Medien brisante Akten zuspielen, die einer Partei des linken Reichsdrittels im Wahlkampf nützen können.

Der ORF sprang sofort auf den Kurz-Zug auf und tadelte, es sei unzulässig, Staatsanwälten und Richtern zu unterstellen, sie würden parteiisch (präziser wäre: „parteipolitisch“) agieren. Dass noch kein einigermaßen ernstzunehmender Mensch das allen heimischen Richtern und Staatsanwälten unterstellt hat – schon gar nicht der höchst vorsichtige Kanzler – wird einfach beiseite gewischt. Wenn ein Viertel- oder Halbprominenter sagt, die Justizdiskussion sei gefährlich, jubeln die ORF-Journalisten sofort auf: „Kritik an der von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz losgetretenen Justizdebatte“ übten der Herr F., die Frau B. und jetzt auch noch der Herr Anwälte-Präsident Rupert Wolff.

Letzterer durfte das in einem ausführlichen Interview „Im Journal zu Gast“ breittreten. Man dürfe Justizkritik nicht als politische Waffe einsetzen, sagte Herr Wolff, ein Salzburger Anwalt. Die logische Zwischenfrage, ob Kanzler Kurz das getan habe, verschwurbelte Wolff gewunden: „Das will ich damit nicht sagen, aber würde sie als politische Waffe eingesetzt, so wäre das verwerflich und gefährdend.“

Anders ausgedrückt: Kurz hat das nicht getan, aber wenn er es täte, wäre er ein ganz Böser.

Bernt Koschuh bewertete die Antwort anders. Er hakte nach: „Welches Motiv hatte denn Kurz ihrer Einschätzung nach?“ Die Antwort dürfte aus Sicht des ORF-Interviewers auch unbefriedigend ausgefallen sein, denn der Anwalt meinte: „Kurz hatte allen Grund, die lange Verfahrensdauer zu kritisieren.“

Dass die ÖVP vor kurzem einen Aktenvermerk aus der SPÖ aus dem Jahr 1997 enthüllte, in dem die Strategie entwickelt wurde, möglichst viele rote Parteigänger als Staatsanwälte oder Richter in die Justiz einzuschleusen, beeindruckt den Rechtsanwälte-Präsidenten „gar nicht“. Das sei schon so lange her.

Ein seltsamer Gedankengang für einen schlauen Anwalt. Schließlich kann man parteitreue Richter und Staatsanwälte nicht binnen weniger Wochen oder Monate in der Justiz verankern. Es dauert Jahre, bis ein braver Parteisoldat des Verbandes sozialistischer Studenten Österreichs VSStÖ (so hieß diese Kaderschmiede damals noch, ehe sie vergendert wurde) als Staatsanwalt Karriere macht. Dafür bleibt er oder sie der Justiz bis zur Pensionierung erhalten. Viele der damals Auserwählten dürften jetzt gerade am Höhepunkt Ihrer Berufslaufbahn angekommen sein.

Zur Kritik, dass in den letzten Monaten und Jahren inken Medien immer wieder geheime Akten zugespielt wurden, nahm Interviewer Koschuh dem Rechtsanwältevertreter sicherheitshalber die Antwort vorweg. Der ORF-Mann erklärte, diese Akten seien in den meisten Fällen von Rechtsanwälten an die Zeitungen gespielt worden. Akten direkt von der Staatsanwaltschaft an Medien seien höchstens Einzelfälle. Wolff ergänzte, dass auch Bürodiener, die den Akt zu transportieren oder zu kopieren hatten, die Übeltäter gewesen sein könnten.

Rechtsanwälte dürften Akten weitergeben, wenn das dem Klienten nütze. Dass solche Akten oft sehr genau zu Zeitpunkten bei Medien landeten, als deren Veröffentlichung massiv Wahlkämpfe beeinflussten und oft den Klienten schwer schadeten, wurde nicht weiter erläutert.

Bernt Koschuh ließ auch die Chance nicht aus, auf die Justiz kräftig hinzuhauen. Allerdings nicht auf die Österreichische – da sind ja bekanntlich alle Beteiligten überparteilich und untadelig. Schläge gab es für die böse Justiz in Ungarn und Polen. Aber auch das ist man als ORF-Zwangsgebührenzahler schon seit einiger Zeit gewöhnt.

Das Thema wird uns noch geraume Zeit erhalten bleiben – nicht nur in Alarmberichten aus Ungarn und Polen. Und Kanzler Kurz wird sich vom ORF noch lange den Vorwurf anhören können, er wolle die heimische Justiz in Frage stellen.