ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Werner Reichel (Ö1 Di, 07.01.2020, 07:00)
Morgenjournal

Wie ORF-Interviews mit Sebastian Kurz künftig ablaufen, solange die türkis-grüne Regierung nicht geplatzt ist, konnte man heute auf Ö1 hören. „Warum haben Sie den Grünen auch in anderen Bereichen so viele teils auch symbolträchtige Zugeständnisse abgerungen?“, fragt die ORF-Redakteurin, um kurz darauf nachzuhaken: „Die Grünen sind seit jeher bekannt, dass ihnen Frauenpolitik sehr wichtig ist, trotzdem holen sie das zur ÖVP. Was sagt das über die künftige Zusammenarbeit aus, ist das wirklich dieses Leben und Lebenlassen, das Sie in den letzten Tagen bemühen?“

Daran wird sich Herr Kurz gewöhnen müssen, dass er nun ständig danach gefragt wird, warum er die Pläne, Ideen, Forderungen und Anliegen der Grünen nicht rasch, widerspruchslos und geschmeidig umsetzt. Er hat dafür zu sorgen, dass die Grünen rundum glücklich sind und er trägt die Verantwortung für jeden Koalitionsstreit. Und wehe, er apportiert nicht jedes Stöckchen, das ihm Grüne oder ORF zuwerfen.

Wenn Kurz nicht spurt, kommt reflexartig, wie auch in diesem Ö1-Interview, das schon jetzt abgewetzte Argument, die ÖVP habe sich schließlich mit ihrer „harten Linie“ in der Migrationspolitik durchgesetzt. Was genau an der türkisen Migrationspolitik hart sein soll, weiß wohl nicht einmal die ÖVP. Aber mit diesem Argument will man erstens die Bürger ruhigstellen, die eigentlich eine Mitte-rechts-Regierung wollten und eine linke bekommen haben und zweitens kann man es der ÖVP bei jeder neuen grünen Forderung oder Unverschämtheit unter die Nase reiben.

Die ORF-Interviewerin drängt und mahnt Kurz angesichts der jährlichen australischen Buschfeuer, die grüne Klimapolitik gefälligst schneller umzusetzen und stellt nebenbei im Gleichklang mit Werner Kogler das angestrebte Nulldefizit in Frage. Das ist kein Interview, da sitzt eine Grüne, die nicht einmal so tut, als wäre sie eine unabhängige Journalistin, und führt die Verhandlungen der Grünen im ORF-Radio fort.

Zum Ende des sogenannten Interviews fragt sie Kurz, was er zur FPÖ sage, die den Bundespräsidenten aufgefordert hat, Alma Zadic nicht als Justizministerin anzugeloben. Sie fragt nicht, was er von Zadic oder den FPÖ-Bedenken halte, sondern, was er zum Verhalten der FPÖ sage. Zadic ist in einem Medienprozess wegen übler Nachrede erstinstanzlich verurteilt worden. Der wesentlich schlimmere Vorwurf, Zadic habe im Wahlkampf auch dem umstrittenen „Islamischen Kulturzentrum Graz“ einen demonstrativen Besuch abgestattet, interessiert den ORF gleich gar nicht. Einem Zentrum, in dem auch salafistische Prediger verkehren sollen. Egal, auch das gehört nun zur ORF-Linie: Die Grünen sind sakrosankt, es gibt keine grünen Skandale, Fehlentscheidungen, Fehltritte. Nichts dergleichen.

Noch nie wurde eine österreichische Regierungspartei medial so hofiert, gehypt und unterstützt. Der einzige Fehler der neuen Regierung ist für den ORF, dass auch die ÖVP drinsitzt und den Grünen nun ständig beim Regieren und beim linken Umbau Österreichs reinreden möchte.

Aber man wird dem Herrn Kurz mit all seiner medialen Power klar machen, wo es lang geht. Dass man dafür noch mehr Geld, also Gebühren braucht, dürfte kein Problem sein. Schließlich liegen die Medienagenden bei Kurz.