Ö1-Redakteure sehen sich gerne als Enthüllungsjournalisten. Was dabei herauskommen kann zeigte ein Beitrag im Mittagsjournal, über den sich aufmerksame und neutrale Zuhörer nur wundern konnten.
Es ging um einen Rohbericht des Verfahrensrichters des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Kauf der Eurofighter. Irgendjemand hatte dem ORF und der Austria Presse Agentur APA (die in der Praxis nicht viel mehr als eine Unterabteilung des ORF ist) diesen 440 Seiten umfassenden Rohbericht zugespielt. Im Journal wurde das von Ö1-Redakteur Bernt Koschuh gemeinsam mit Ö1-Moderatorin Christine Thönicke begeistert ausgeschlachtet.
Dabei hätte sich der Rohbericht, der sich mit der politischen Verantwortung beim Kauf der Eurofighter zu befassen hatte, in einem Satz zusammenfassen lassen: Trotz jahrelanger krampfhafter Bemühungen der unermüdlichen politischen Feinde der schwarz-blauen Regierung Schüssel sei es nicht gelungen, irgendwelchen Politikern der damaligen Regierung Bestechlichkeit in Sachen Eurofighter nachzuweisen. Das wurde in dem Ö1-Beitrag nur am Rande erwähnt.
Dafür wurde nachdrücklich hervorgehoben, dass Verfahrensrichter Ronald Rohrer „Mitglieder der schwarz-blauen Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel (ÖVP)“ kritisiert habe. Was und weshalb genau war dem Beitrag nicht zu entnehmen. Als Zeuge wurde beispielsweise von Koschuh ein oberösterreichischer Steuerberater ins Treffen geführt, der unter Berufung auf sein Berufsgeheimnis die Aussage verweigert habe. Das ist in dieser Branche wichtig, wenn man das Vertrauen seiner Kunden nicht verlieren möchte. Die ORFsche Schlussfolgerung: „Das schließt nicht ganz aus, dass der Steuerberater da etwas mitbekommen haben könnte.“
Noch skurriler der Vorwurf an den langjährigen Lieblingsfeind des ORF und anderer linker Medien, den damaligen Finanzminister Karl Heinz Grasser. Der war – wie sich altgediente politische Beobachter erinnern – eher ein Skeptiker des Eurofighter-Kaufs gewesen. Die beiden ORF-Enthüller meinten Sensationelles entdeckt zu haben: Grasser käme in dem Bericht besonders schlecht weg. Er sei gar nicht gegen die Eurofighter gewesen, sondern er war dafür!
Der Beweis war eine Notiz eines Eurofighter-Lobbyisten an seine Chefs, dass Grasser ohnehin für den Eurofighter-Kauf sei. Nun weiß man, dass Lobbyisten davon leben, ihren Chefs positive Nachrichten zu servieren. Das gibt ihnen ihre Existenzberechtigung. Daraus eine Belastung zu konstruieren ist wieder einmal typisch für den umstrittenen ORF.
Der Verfahrensrichter soll über die Veröffentlichung des Rohberichtes durch den ORF ziemlich erbost gewesen sein. Klarerweise ist ein solcher Bericht nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Da drängt sich beim Zuhörer die Frage auf: Wer spielt so einen Bericht dem ORF zu? Die Frage nach dem warum ist einfach zu beantworten: Irgendein Politiker oder eine Politikergruppe will dem Gegner Schaden zufügen.
Ziemlich sicher handelt es sich bei den Leuten, die solche Geheimberichte Medien zuspielen (oder verkaufen?) um Gesetzesbrecher. Werden diese Kriminellen gesucht und gejagt? Wird der ORF als Enthüllungsmedium verraten, von wem er diesen Rohbericht bekommen hat? Und bewegt sich der ORF als Handlanger dieser Kriminellen noch im Rahmen der Gesetze? Vielleicht sollte man dazu einmal einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen.