Was für ein historisches Ereignis: Bundespräsident Van der Bellen auf Staatsbesuch in Portugal. Brisante Themen stehen an: Tourismus und Nachhaltigkeit. Das ist Ö1 einen ausführlichen Beitrag wert. Weil aber selbst den Rotgrün-Funkern wirklich nichts einfällt, was man den Hörern über diesen Besuch erzählen könnte, funktioniert man den Beitrag einfach um. Zu einer mehrminütigen Lobeshymne auf die Partido Socialista beziehungsweise auf den Sozialismus im Allgemeinen.
ORF-Korrespondent Josef Manola trägt besonders dick auf. Kein Wunder, gilt Portugal bei Linken als sozialistischer Vorzeigestaat. Auch die SPÖ-Webseite kontrast.at schwärmt: „Vom Sorgenkind zum Wunderkind“, die Süddeutsche Zeitung ist nicht minder begeistert und titelt: „Der letzte Sozi“.
Dem will Manola nicht nachstehen: Mit seiner „ruhigen Art“ sei es Regierungschef António Costa „gelungen, das Land aus den Wirren einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise zu führen.“ Alles eitel Wonne in Portugal. Manola kann seine Begeisterung für die sozialistische Regierung, die von Kommunisten und Linksblock gestützt wird, kaum verbergen. Auch ein EU-Abgeordneter der portugiesischen Sozialisten darf im O-Ton den erfolgreichen Kampf gegen die Ungleichheit loben.
Schattenseiten gibt es keine, auch keine Opposition. Zumindest kommt sie in dem Beitrag nicht zu Wort und auch nicht vor. Doch so toll ist die Lage im hochverschuldeten Portugal nicht. Die öffentlich-rechtliche Deutsche Welle: „Wer genau hinsieht, kann am 'portugiesischen Wunder' allerdings auch Zweifel anmelden. Das sei nämlich, so der Wirtschaftswissenschaftler João Duque, vor allem der guten Weltkonjunkturlage, der Nullzinspolitik der EZB und einem nie dagewesenen Tourismusboom zu verdanken." Doch für Ö1 gilt die Regel: Geht es einem konservativ-liberal regierten Land wirtschaftlich gut, liegt das an der weltweiten Konjunktur, geht es einem sozialistische Land gut, ist des immer und ausschließlich das Verdienst der roten Regierung.
Von den heftigen politischen Auseinandersetzungen vor wenigen Wochen um die Erhöhung der Lehregehälter, bei der Costas sogar mit seinem Rücktritt gedroht hatte, erfuhr der Ö1-Hörer ebenfalls nichts. Das Bild vom roten Paradies am Rande Europas sollte nicht getrübt werden. Auch der portugiesische Präsident kam gut weg, schließlich unterstützt er die sozialistische Minderheitsregierung. Deshalb steht er auch „am Höhepunkt seiner Popularität, was ihn mit dem um fast fünf Jahre älteren Van der Bellen verbindet“, so Manola fast schon überschwänglich.
Und jetzt stellen wir uns die Ö1-Berichterstattung vor, hätte Van der Bellen Ungarn oder Polen besucht.