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Kurt Ceipek (Ö1 Fr, 14.06.2019, 12:00)
Mittagsjournal

Der Wahlkampf für die Nationalratswahl am 29. September soll ja angeblich erst irgendwann ein paar Tage vor der Wahl beginnen, aber die mittlerweile schon berüchtigte (und nicht mehr nur umstrittene) Ö1-Journalredaktion hat vorsichtshalber schon längst mit der Schlacht um die begehrten 183 Mandate begonnen. Das bewies das Mittagsjournal in einer Art und Weise, die zum Fremdschämen peinlich war.

Schon allein die Tatsache, dass Werner Kogler Spitzenkandidat der von den Wählern aus dem Parlament katapultierten Grünen sein wird, ist für jeden einigermaßen interessierten Österreicher eine No-Na-Meldung gewesen. Man hätte jeden Betrag darauf verwetten können. Damit die früher einmal wichtigste Informationssendung des Landes zu eröffnen, während zugleich die USA und der Iran die Kriegstrommeln rühren, ist journalistisch nicht nur fragwürdig, sondern idiotisch.

Die Begeisterung, mit der die Moderatorin Agathe Zupan dieses „Ereignis“ verkündete, war der Beweis, dass der ORF die Beifügung „Rotfunk“ nicht mehr verdient. Er ist in Windeseile zum „Grünfunk“ mutiert. Da gab es in dem fast drei Minuten dauernden Beitrag von der Pressekonferenz der außerparlamentarischen Partei keinen Hauch von Kritik, dass Kogler angesichts der gut erscheinenden Chancen auf den Wiedereinzug der Grünen in den Nationalrat, auf sein Mandat im EU-Parlament pfeift.

Und weil das als Wahlkampfbeitrag von Ö1 offensichtlich noch zu wenig erschien, wurde Kogler auch noch zu einem gleichermaßen ausführlichen wie inhaltsleeren Interview ins Studio eingeladen. Schon allein der Tonfall, in dem Agatha Zupan den Grün-Kandidaten begrüßte und in dem das Gespräch geführt wurde, war an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Höchstens durch die gestellten Fragen wie beispielsweise: „Um die Rückkehr der Grünen in den Nationalrat zu ermöglichen braucht's Stimmen. Wo sollen die herkommen?“

Diesem Niveau passte sich Kogler unverzüglich an und meinte: „Ja ... also ... momentan ist die Stimmung ja gut, das muss man in Stimmen ummünzen.“ Sehr aufschlussreich. Kurz zusammengefasst wollen die Grünen von allen Parteien Stimmen gewinnen. Wer hätte das gedacht?

In genau dieser Tonart ging das Interview weiter. Die einzige kritische Frage, die von der Ö1-Interviewerin gestellt wurde: Warum es denn keine weibliche Grün-Spitze gebe? Auch da durfte Kogler elendslang substanzlos herumreden, ohne auch nur einen Hauch von Widerspruch oder Zweifel von seiner Gesprächspartnerin hinnehmen zu müssen.

Insgesamt waren es fast zehn Minuten, die den Grünen da vom ORF kostenlos für Wahlkampfwerbung geboten wurden. Da drängt sich die Frage auf: Wie viele Euro müsste denn eine Partei für eine solche Belangsendung bezahlen. Und wird das auch in die Wahlkampfkostenabrechnung eingerechnet?