Jetzt sind sie wieder in ihrem Element. Jetzt wird im ORF besonders hemmungslos auf die beiden bisherigen Regierungsparteien hingeschlagen, auf die ÖVP interessanterweise noch mehr als auf die FPÖ, während die SPÖ wie immer total geschont wird (man ist offenbar im ORF-Leo, sobald man mit der SPÖ geht ...). Jetzt wird zusätzlich auch mehrfach totaler rechtlicher Unsinn verzapft. Das zieht sich durch den ganzen Abend.
Da wurden in einer Pseudo-Bilanz über die Kanzlerschaft des Sebastian Kurz aus verschiedenen Reden dreimal die Worte "illegale Migration" herausgeschnitten und gesendet. Als ob solche Untergriffe auf unterstem ORF-Kabarettisten-Niveau in mit einer sachlichen Bilanz der Kanzlerschaft in der Hauptnachrichtensendung eines "öffentlich-rechtlichen" Zwangsgebührensenders zu tun hätten.
Da wird wahrheitswidrig behauptet: "Die Regierung muss vom Nationalrat mehrheitlich akzeptiert werden." Dabei gibt es laut österreichischer Verfassung im Unterschied zu Deutschland eindeutig keine Vertrauensabstimmung (oder "Akzeptierens"-Abstimmung) über eine neue Regierung, sondern nur die Möglichkeit eines Misstrauensvotum - zu dem sich aber erst eine Mehrheit aktiv bekennen muss. Dieser Unterschied könnte noch eine große Rolle spielen.
Da hat Herbert Kickl in seiner Parlamentsrede eine lange hochinteressante Passage den "freundschaftlichen" Beziehungen zu Kurz bis vor wenigen Tagen gewidmet, also bevor es dann wegen Ibiza zum Bruch gekommen ist. In keiner einzigen der stundenlangen ORF-Berichte wird darauf eingegangen. Dabei war es wohl das Spannendste an diesem Tag Gesagte.
Da wird ausgerechnet ein Heinz Mayer als scheinbar objektive Auskunftsperson ins Studio geholt. Es wird aber völlig verschwiegen, dass der Mann längst kein amtierender unabhängiger Professor mehr ist, sondern - ausgerechnet - für die Kanzlei Lansky arbeitet (während sonst jeder Mensch, der vor 20 Jahren einmal bei ÖVP oder FPÖ angestreift ist, sofort ein lebenslängliches "parteinahe" versetzt bekommt).
Da zeigt dieser Mayer, dass er sich europarechtlich nicht auskennt. Denn er behauptet: Wenn der Bundeskanzler nicht zum Europäischen Rat fährt, "kann ihn der Vizekanzler vertreten". Falsch, Herr Mayer. Das kann ein Vizekanzler zwar nach österreichischem Verfassungsrecht, aber nicht nach EU-Recht, wo es kein solches Vertretungsrecht gibt. Deshalb wird ja auch der Vizekanzler blitzschnell zum Bundeskanzler gemacht, damit er als Regierungschef zum EU-Rat fahren kann. Und das ist juristisch halt ein Riesenunterschied zu einem "Vertreten", wie man hoffentlich auch in der Kanzlei Lansky begreift.
Da ist in keiner einzigen der vielen ORF-Sendungen der letzten Tage das signifikanteste Ergebnis der europäischen Wahl angesprochen worden: Nämlich dass die Sozialdemokraten sowohl in absoluten Zahlen wie auch relativ eindeutig der größte Verlierer sind. Sehr im Gegensatz zu dieser Diskretion hat der ORF vergangenen Freitag und Samstag intensiv bejubelt, der sozialistische Spitzenkandidat Timmermans habe in den Niederlanden gewonnen (obwohl er in Wahrheit nur 18 Prozent erreicht hat). Offenbar um Nachahmungstäter zu motivieren.
Da beginnt Armin Wolf seinen Auftritt mit einem triumphierenden: "Erstmals wurde ein Bundeskanzler im Nationalrat abgewählt." Unabhängig davon, dass ein Misstrauensvotum etwas leicht anderes als ein "Abwählen" ist, ist das jedenfalls eine skandalöse Manipulation der Fakten. Denn es wurde völlig gleichzeitig und gleichwertig die gesamte Bundesregierung "abgewählt". Was ein großer Unterschied ist zur Abwahl des Bundeskanzlers alleine, den - bei allem linken Hass auf Kurz - auch ein Armin Wolf begreifen müsste.
Da behauptet der gleiche Wolf bei Verlesen der endgültigen Wahlergebnisse: "die Neos verlieren minimal". Das ist eindeutig falsch (wie auch am Insert zu erkennen gewesen wäre). Wahr ist, dass die Neos leicht gewonnen haben. Der Wolf-Fehler ist alles andere als irrelevant, auch wenn es um Zehntelprozente geht.
Da werden die Fotos der Herrn Faymann und Spindelegger vertauscht. Peinlich. Das aber ist immerhin ein Fehler, für den man sich ein paar Minuten später entschuldigt (für die anderen tut man das nicht).
Da ist wie immer bei ihren Auftritten eine Frau Pawlicki das überhaupt Einseitigste, was der ORF zu bieten hat. Da höhnt sie, dass "hingebrachte Anhänger" dem ÖVP-Obmann zugejubelt hätten. Als ob etwa bei roten Events die Anhänger nicht an deren Ort hingebracht würden. Was aber der ORF nicht erwähnt.
Und da spricht die Dame bei der Befragung der Klubobmänner nicht weniger als dreimal verächtlich vom "Wahlkampf-Spin der ÖVP", verpackt also schon in ihre Frage die Behauptung, dass das alles Unwahrheit wäre, was die ÖVP sagt - und stellt diese Frage noch dazu dem SPÖ-Klubobmann, legt diesem also gleichsam einen – nein, nicht einen Elfmeter, sondern geradezu einen Fünfmeter auf.
Aber die ÖVP hat ja eineinhalb Jahre verhindert, dass dem ORF der (Gebühren- bzw. Steuer-)Geldhahn abgedreht wird. Selber schuld.