Manchmal sind neuartige Begriffe in Titeln von orf.at-Beiträgen verräterisch. In Einzelfällen entpuppen sie sich als Freud'sche Verschreiber. Es steht dann das dort, was der Autor eigentlich gemeint hat, aber eigentlich wollte er es so nicht schreiben. Auf orf.at war im Titel zu einem Bericht über einen Grenzsturm afrikanischer Flüchtlinge zu lesen: „Geflüchtete überwandern Grenzzaun“.
Das veranlasste einen aufmerksamen ORF-Watch-Leser zur Anmerkung, dieser Titel sei einer „Nominierung zum Euphemismuspreis 2019“ würdig. „Überwandern“, das klinge nach Muttertagsspaziergang, schrieb der Leser.
Es fällt gar nicht schwer, diesen bislang eher ungebräuchlichen Begriff für einen Konter auf den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ zu halten. Gemeint sein kann ja mit „überwandern“ in diesem Fall nur ein gewaltsamer Grenzsturm.
„Man stelle sich vor, die französische Revolution hätte mit der ,Überwanderung der Bastille' begonnen, Fußballer würden zum Tor ,überwandern' und Armin Wolf hätte Harald Vilimsky mit einem Ausschnitt aus dem ,Überwanderer' konfrontiert“, ätzte der Leser.
Aber letztlich wurde nach geraumer Zeit die „Überwanderung“ auf orf.at entschärft und der Titel korrigiert in: „Geflüchtete überwanden Grenzzaun“. Also möglicherweise wirklich nur ein Freud'scher Verschreiber. Allerdings ist „überwinden“ für einen gewaltsamen Grenzsturm auch ein ziemlich verniedlichendes Wort.