Er macht seinen Job gut. Wirklich gut. Der ORF-Polit-Coach im Ö1-Morgenjournal lobt an den richtigen Stellen, schiebt manchmal dezent Kritik nach, stellt einfühlsame Fragen, bohrt nie nach, versucht gemeinsam mit seiner Klientin neuen Perspektiven zu erarbeiten, Wege aufzuzeigen und das alles sehr behutsam, freundlich und – wie man in solchen Kreisen sagt – wertschätzend. Doch es hilft nichts. Mehr als die üblichen Phrasen und Stehsätze kann er aus der neuen SPÖ-Chefin nicht herausholen: soziale Gerechtigkeit, Brücken bauen, Menschlichkeit, nicht spalten etc. Wie ein roter Politikautomat spuckt Rendi-Wagner auf Knopfdruck eine linke Plattitüde nach der andern aus. Auf jede Frage hat sie eine vorgestanzte Antwort parat, die jeder Nachrichtenkonsument schon gefühlte 3.000 Mal gehört hat.
Der ORF-Coach, also der interviewende Ö1-Redakteur, schafft es nicht, den Phrasenpanzer zu durchstoßen und in die Tiefe vorzudringen, irgendetwas Substantielles, etwas Neues aus Rendi-Wagner herauszukitzeln. Da hilft es auch nicht, wenn er sich mit ihr solidarisiert und über die „unmenschliche“ Zuwanderungspolitik der Regierung jammert. Der ORF-Mann bemüht sich redlich, macht seine Sache besser als ein Rudi Fußi, schließlich liegt es auch in seinem Interesse, Rendi-Wagner und der SPÖ wieder auf die Beine zu helfen.
Nun ist so eine öffentliche Ö1-Coaching- bzw. Therapiesitzung durchaus unterhaltsam und informativ, hat aber recht wenig mit Journalismus zu tun und zählt auch nicht zu den Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für ihre fetten Gehälter sollten ORF-Redakteure journalistische Inhalte produzieren und nicht Berater für linke Politiker spielen.
Was brauchen Sebastian Kurz und die FPÖ eigentlich noch, um endlich den ORF grundlegend zu reformieren?