Die Obfrau des örtlichen Verschönerungsvereins plaudert über Blumenschmuck am Balkon, ein Notar gibt praktische Tipps fürs Testament, die Kinder der Musikschule singen ein Ständchen, eine Yogalehrerin zeigt den Sonnengruß und zwischendurch erfährt man, welche Kräuter gegen Sodbrennen helfen. Hinter dem Studiofenster stehen am Dorfplatz der Ortsvorsteher und eine Trachtenkapelle verloren herum und die Schmähs der Moderatoren könnten auch von Gunther Phillip sein.
Das ist „Guten Morgen Österreich“. Eine Sendung, die aus der Zeit gefallen ist, die genau so in den 1950er Jahren hätte laufen können. Damals, als die Seher dieser morgendlichen Sendung noch knackig waren. Alles ist lieb, nett, betulich und kommt völlig unpolitisch daher. Umso perfider ist es, wenn man solche Formate für Propaganda nutzt. So nebenbei und im netten Plauderton werden den verschlafenen Zusehern politische Botschaften und erwünschte Meinungen mehr oder weniger unauffällig reindrückt. So geschehen heute.
Da ist eine ehemalige England-Korrespondentin zu Gast. Sie erzählt, dass sie vor der drohenden Apokalypse, die nach dem Brexit über das Land hereinbrechen wird, geflohen ist. Da läuft es dem Zuseher kalt über den Rücken und er denkt sich bei seinem ersten Kaffeetscherl: Gut, dass wir noch bei der EU und nicht so blöd wie die Briten sind.
Seit Wochen trommelt der ORF: Großbritannien wird nach dem Brexit im Chaos versinken. Vermutlich sagt das auch Tom Turbo, aber Kinderfernsehen tue ich mir nicht an. Wir erinnern uns: Ähnliches hat man seinerzeit auch der Schweiz prophezeit, sollte sie nicht der EU beitreten. Wie es ausgegangen ist, wissen wir.
Die EU verhält sich wie ein rachsüchtiger, verlassener Ehepartner, der dem oder der Ex alles erdenklich Schlechte wünscht. Die EU wird sich redlich bemühen, England zu schaden. Schließlich soll ein Exempel statuiert werden, damit andere Regierungen, die über einen Ausstieg nachdenken, abgeschreckt werden. Das ist die EU-Linie, die selbstredend auch für den ORF verbindlich ist.
Nichts wäre ärgerlicher für die EU-Appartschiks und ihre medialen Helfershelfer, wenn Großbritannien nach einer turbulenten Übergangsphase besser dastehen würde als vorher. Und die Hoffnung, Frankfurt könnte London als Finanzplatz ablösen, ist nur der feuchte Wunschtraum ahnungsloser Eurokraten.
Aber die wenigen Senioren, die sich „Guten Morgen Österreich“ nach dem Aufstehen reinziehen, hat der ORF vermutlich überzeugt: Großbritannien steht kurz vor dem Untergang.