Im 8-Uhr-Journal berichtet Barbara Ladinser über den Wahlkampf in Brasilien und über den früheren Linksaktivisten, Gewerkschafter, Gründungsmitglied der brasilianischen Arbeiterpartei und – mittlerweile verurteilten – Ex-Präsidenten des Landes:
„...Lula da Silva ist in einem recht umstrittenen Korruptionsverfahren letztinstanzlich zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden...“
Aha umstritten, natürlich, was sonst? Zwar nunmehr sogar letztinstanzlich zu zwölf Jahren Haft verurteilt, aber das Verfahren war eben laut Frau Ladinser doch „recht umstritten“. Das ist für jemanden, der den ORF-Jargon kennt, unmissverständlich. Schließlich sind der Werdegang von „Lula“ und seine linke Gesinnung praktisch ein Ritterschlag für viele ORF-Redakteure. „Ritter Lula ohne Furcht und ohne Tadel“ sozusagen.
Es folgen ein paar Worte zum Lula-Nachfolgekandidaten Fernando Haddad als früheren Minister und seine Chancen bei der Wahl. Wenig informativ.
Anschließend berichtet Barbara Ladinser über den Gegenkandidaten Jair Bolsonaro von der Sozial-Christlichen Partei. Aber sie bezeichnet ihn (wie man es vom ORF mittlerweile gewöhnt ist) nicht einfach als „Gegenkandidaten von der Sozial-Christlichen Partei“, nein, sie nennt ihn wörtlich „den rechtsextremen Jair Bolsonaro“. Natürlich. Was auch sonst?
Auf Bolsonaro wurde vor wenigen Tagen ein Messerattentat verübt, das er fast nicht überlebt hätte.
Aber nachdem das Attribut „rechtsextrem“ heutzutage offenbar schon zu wenig aufrüttelt – womöglich, weil viele Journalisten in den letzten Jahren oft zu leichtfertig damit um sich werfen – braucht es eine Steigerung, um den Gegenkandidaten für die ORF-Zuhörer ins rechte Licht zu rücken, wie man so schön sagt.
Und das hat Frau Ladinser wirklich bravourös drauf. Hut ab. Von Christian Williwald auf das Messerattentat angesprochen, führt sie aus, dass „ihn viele den Trump Brasiliens nennen“ würden und weiter, er sei "Rassist, ein Frauenhasser, ein Verherrlicher der mörderischen Militärdikatur“ und die Messerattacke – so schlimm sie sein mag (!) – habe ihm „sogar noch genützt." (die Umfragen betreffend). Soso also, er ist ein Rassist und die Messerattacke mag schlimm gewesen sein, aber nützlich.
Linker Gesinnungsjournalismus im Vollausbruch. Abschließend nennt sie ihn noch den "Antidemokraten Bolsonaro". Vom Antidemokraten zum sprichwörtlichen „Antichristen“ ist es dann auch nicht mehr weit.
Jetzt muß ich zugeben, Jair Bolsonaro nicht zu kennen und seine politische Laufbahn bisher nicht verfolgt zu haben. Bloß wenn ein Gegenkandiat eines linken Präsidentschaftsbewerbers als „Rechtsextremer, Rassist, Frauenhasser und Antidemokrat“ tituliert wird, dann klingelt es beim leidgeprüften ORF-Hörer und -Seher.
Das ist also die ausgewogene, neutrale und unabhängige Berichterstattung des ORF, für die Armin Wolf neuerdings wieder so heftig kämpft. Unabhängig, neutral und vollkommen ausgewogen: Der ORF-Seher und -Hörer soll gefälligst glauben, was er von linientreuen Journalisten – für die von ihm bezahlten Zwangsgebühren – im ORF zu hören bekommt.
PS.: der Begriff „Frauenhasser“ ist überhaupt interessant und bisher sogar im ORF wenig gehört. Auch habe ich bisher nie in einem sogenannten Leitmedium gehört, dass zum Beispiel eine Johanna Dohnal oder Elfriede Jelinek oder Ulrike Lunacek „Männerhasserinen“ wären …