Es ist noch keinen Monat her, als im Schwarzwald-Tatort die Gefahr einer gesellschaftlichen Unterwanderung durch rechte „Wehrbauern“ an die Wand gemalt wurde. Vergangene Woche ging es im München-Tatort um die wirre Parallelwelt der rechten „Reichsbürger“. Da konnte offensichtlich auch die ARD mit „Polizeiruf 110“ nicht anders, als sich der vermeintlich immens bedrohlichen Szene der bösen Rechten anzunehmen: Man konstruierte mit "In Flammen" eine ebenso hanebüchene Geschichte, in der eine frappant an die AfD erinnernde Partei in die Nähe mörderischer Neonazis gerückt wird. Auch hier mit von der Partie: rechte „Wehrbauern“, wie sie nach Ansicht linker Drehbuchschreiber anscheinend haufenweise in Deutschland ihr Unwesen treiben. Und so nebenbei ein paar korrupte Politiker, wie wir sie in der Realität eher von den alten Parteien kennen.
Alles beginnt mit der aufrüttelnden Rede der feschen, jungen Politikerin Sylvia Schulte im Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt von Rostock. Ihre Partei heißt zwar nicht AfD, sondern PFS (Partei für Freiheit und Sicherheit), die Ziele und Botschaften sind aber nahezu 1:1 ident – ihre Anhänger skandieren sogar den von der Pegida-Bewegung bekannten Wahlspruch „Wir sind das Volk“.
Tags darauf wird die mit Handschellen gefesselte und bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche einer Frau gefunden – wie sich rasch herausstellt, ist es die PFS-Favoritin auf das Oberbürgermeisteramt. Bis dahin hätte es noch ein guter Krimi mit den seit Jahren spannend und oft ein wenig skurril agierenden Ermittlern Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Sascha Bukow (Charly Hübner) werden können.
Doch die ganze Geschichte wird nur noch zum ideologischen und praktischen Feldzug gegen allerorts präsente böse Neonazis. Da wird der Ex-Mann Schultes, ein angeblich ehemaliger Rechtsradikaler, der mit ein paar anderen Aussteigern und vielen Kindern eine Landwirtschaft betreibt – natürlich in „Wehrbauernmanier“ –, verdächtigt und ausgefragt.
Der Assistent Schulzes, ein als Flüchtling eingewanderter Syrer, entpuppt sich zunächst als Hauptverdächtiger, da er mit der Poltikerin ein Verhältnis gehabt und oft gestritten haben soll. Als die Polizei ihn mangels Beweisen freilassen muss, wird er entführt, ins Büro der Kripo fliegt ein Ziegelstein durch die Scheibe und verletzt Bukow, potentielle Neonazis stellen ein Video online, in dem sie die Suspendierung Bukows und Königs fordern, weil diese einen „Mörder“ freigelassen haben.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist klar, wer hier die Finger im Spiel hat – böse Rechte. Tatsächlich entdecken Bukow und König den entführten syrischen Ex-Assistentin Schultes in der Gewalt ehemaliger Jugendfreunde der Politikerin, die noch immer in der Neonazi-Szene aktiv sind. Sie werden beide in Notwehr erschossen.
Die Dialoge zwischendurch sind von politischer Einseitigkeit geprägt, vor allem LKA-Ermittlerin König tut sich durch linke Thesen hervor, die alsbald auch auf den ansonsten eher unpolitischen Bukow abfärben. Das geht so weit, dass er beim Versuch, weitere Neonazi-Jugendfreunde Schultes zu ermitteln, in Wildwest-Manier bei den „Wehrbauern“ einfällt, Schultes Ex-Mann niederschlägt und ihm die Pistole an den Kopf setzt – wie halt norddeutsche Kripo-Beamte so ermitteln, wenn es gegen böse Rechte geht.
Ungestraft natürlich, es filmt auch niemand mit dem Smartphone mit, wie das in der Realität bei der kleinsten Ausweiskontrolle afrikanischer Drogenhändler x-fach passiert, um den Beamten damit im Internet „Rassimus“ vorwerfen zu können.
Doch die deutschen TV-Krimi-Autoren sind schon so weit von der Realität entrückt, dass man den ganzen Film als Regiefehler bezeichnen könnte. Da hilft auch der etwas abrupte und ziemlich unlogische Schluss nichts: Eine ehemalige Betreuerin eines Flüchtlingsheimes, das vor vielen Jahren von zwei Vermummten mittels Molotow-Cocktails angezündet worden war, gesteht den Mord an der Politikerin.
Sie hatte im Prozess damals ausgesagt, dass den Sprengkörper eine dritte Person, eine Frau, geworfen habe, aber niemand schenkte ihr Glauben – und nun, auf den Wahlplakaten Schultes, habe sie diese „an ihren Augen erkannt“. Wie Zeugen das halt so tun, wenn sie von einem potentiellen Täter vor Jahren nur die Sehschlitze gesehen haben. Genauso gut hätte sie behaupten können, sie habe die Frau an ihrem kleinen Finger wiedererkannt.
Was blieb, waren 90 Minuten Zeitverschwendung und der Vorsatz, beim nächsten Mal „Tatort“ oder „Polizeiruf“ gleich auf Amazon.prime zu gehen. Wenn man dort einen schlechten Film erwischt, kann man ihn abdrehen und flugs einen besseren suchen.