"Wien Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität": So betitelt der ORF die alljährliche Studie des Beratungsunternehmens Mercer. Dieser Titel könnte direkt aus der Rathauspropaganda stammen, so verlogen und falsch ist er. Dementsprechend oft wird die Studie ununterbrochen von der SPÖ seit Jahren in ihren Wahlkämpfen eingesetzt.
Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt keinen Grund, an dieser Studie zu zweifeln. Man muss sie nur vollständig lesen, man muss genau sagen, was da wie erhoben wird und darf dem Bericht nicht eine so schlagseitig-falsche Propaganda-Überschrift geben. Vor allem sollte man auch gleich die vielen anderen Studien dazustellen, in denen Wien weit weg von der Spitze ist, in denen etwa das Sicherheitsgefühl der Bürger, Korruption oder Verschuldung gemessen werden, in denen sich die weitaus höchste Arbeitslosigkeit Österreichs zeigt. Man könnte etwa auch dazustellen, wieviele Wiener bei Umfragen die kritischen Porträts Wien im ungarischen Wahlkampf für richtiger halten als solche Überschriften.
Die Mercer-Studie gibt gar nicht vor, die Lebensqualität für die Wiener zu messen. Sie misst diese vielmehr für ausländische Führungskräfte und Diplomaten. Also für jene, die monatlich mit einem im Schnitt satten fünfstelligen Nettobetrag rechnen können; die in den aus dem 19. Jahrhundert stammenden kapitalistischen Villenvierteln im Westen Wiens wohnen; die ihre Kinder zu 99 Prozent in teure Privatschulen (also solche ohne 80 Prozent Migrantenanteil) schicken; die nie mit der U6 fahren; die nie nach Favoriten, Brigittenau und in viele andere ähnliche Problem-Gegenden der Stadt kommen; die nie in Spitalsambulanzen sitzen müssen, sondern voll die exzellente (aber von Rotgrün hasserfüllt bekämpfte) Zweiklassenmedizin konsumieren.
Für sie ist Wien wirklich überaus lebenswert. Etwa die sensationelle Stadtnähe des Wienerwalds (eine Errungenschaft der 19. Jahrhunderts, als Sozialdemokraten und Hochhausspekulanten noch nichts zu sagen hatten), etwa die Weltspitzenleistungen von Staatsoper und Musikverein (wiederum zwei Institutionen, die fast nichts mit der roten Rathausverwaltung zu tun haben), etwa all die tollen Gebäude der Kaiserzeit von der Hofburg über Schönbrunn bis zum Belvedere (ist es nicht die SPÖ, die bis heute auf den Habsburger-Diskriminierungsgesetzen beharrt?), etwa die vielfach Weltspitze darstellenden Museen (die ebenfalls fast zur Gänze Bundeskompetenz sind).
Das alles gäbe es zur Mercer-Studie zu sagen, und noch viel mehr. Aber der ORF berichtet über sie, wie wenn er der Pressedienst der Gemeinde Wien wäre. Also wie immer.