Wie jedes Jahr hat sich auch heuer Kardinal Schönborn während der Adventzeit mit Mitarbeitern des ORF getroffen. Bei diesem traditionellen Empfang war er voll des Lobes für den ORF. Dieser biete, so Schönborn, ein "unglaublich weites Spektrum" und sei im „Bereich der Religion international wohl eines der aktivsten öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen“. Da trägt einer aber dick auf.
Wer wissen möchte, was dem Kardinal an der Religions-Schiene des ORF so gut gefällt und wie breit das Spektrum tatsächlich ist, der muss sich nur die Ö1-Sendung „Praxis - Religion und Gesellschaft“ anhören. Im ersten Beitrag jammert ca. 15 Minuten lang eine ehemalige sandinistische Terroristin – Pardon, eine „Ex-Guerillera“ - darüber, dass Nikaragua ein einziger Sumpf aus Korruption und Machtmissbrauch sei, dass Präsident Ortega die linke Revolution verraten habe. Sprich, die gute Dame beschwert und wundert sich, dass in Nikaragua, so wie überall auf der Welt, das sozialistische Experiment kläglich gescheitert ist. Um noch die Kurve zu kriegen, bei „Praxis“ handelt es sich schließlich offiziell um eine Religionssendung, werden am Ende des Beitrages noch kurz die Haltungen der nikaraguanischen Bischöfe erwähnt.
Im darauffolgenden Beitrag geht es um die Reaktionen der Kirchen auf die vom Verfassungsgerichtshof freigegebene „Ehe für alle“. Ein kurzer O-Ton von Kardinal Schönborn wird eingespielt, wesentlich länger zu Wort kommt Helmut Schüller. Der ehemalige Caritas-Chef, derzeitige Obmann der Pfarrerinitiative und einer der Wortführer des linken katholischen Flügels freut sich – welch Überraschung – über die Schwulenehe.
Und er schafft es auch noch mit links, den thematischen Bogen zur kommunistischen Ex-Guerillera zu schlagen. Schüller schwadroniert über den bösen Neoliberalismus, der die Familie bedroht. Ja, der Neoliberalismus. Dieses Teufelszeug. Da sind dem braven, linken Kirchenmann Sandinisten, Kommunisten, Sozialisten oder Trotzkisten wesentlich lieber. Nach den Ausführungen Schüllers muss ich an Kardinal Schönborn und an ein Zitat von Erich Kästner denken: „Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!“