Wussten Sie, dass wir es Christian Kern zu verdanken haben, dass die Masseneinwanderung nach Österreich seit dem Willkommensherbst im Jahr 2015 etwas zurückgegangen ist? Das hat Herr Kern gestern im ORF-Sommergespräch behauptet. Wie er das angestellt hat? Keine Ahnung. „ORF-Spitzenjournalist“ Tarek Leitner hat ihn nicht danach gefragt. Er hat diese skurrile Behauptung, wie viel andere auch, einfach so stehen lassen. Okay, wenn ein Urlaubskumpel mal etwas zu dick aufträgt, muss man ihn ja nicht gleich durch unangenehmes Nachfragen vor den anderen Anwesenden bloßstellen. Blöd nur, wenn einer Bundeskanzler, der er andere ORF-Journalist und die Anwesenden die österreichischen Bürger sind. Kern hätte im Sommergespräch auch behaupten können, er könne Blinde sehend und Lahme gehend machen, Leitner hätte nicht nachgehakt.
Das Sommergespräch war eine peinliche Belangsendung für die SPÖ. Leitner hat, trotz der Diskussion um sein Nahverhältnis zu Christian Kern, nicht einmal versucht so zu tun, als ob er Kern kritische Fragen stellen würde. Leitner ist mit keinem Wort auf diese Diskussionen eingegangen, Kern hat die Kritiker sogar noch mit einer launigen Bemerkung - „Ich werde mich nicht wehleidig über den ORF beschweren, denn ich habe Respekt vor Journalisten“ - verarscht. Es gab natürlich auch keinen Grund zur Beschwerde, Leitner gab den braven Stichwortgeber.
Kern konnte sich im Gegensatz zu Kurz und Strache für seine Antworten viel Zeit lassen und wurde selbst dann nicht unterbrochen, wenn er Unsinn erzählte. Besonders schlau ist so eine Interviewführung freilich nicht, weil das untertänige und unkritische Abfragen sowie das Ausklammern von allen Punkten, die dem Befragten unangenehm sein könnten, für den Zuseher extrem langweilig ist, die Glaubwürdigkeit des Interviewers und des Interviewten beschädigt und selbst der unbedarfte Zuseher den krassen Unterschied zum Interview mit Sebastian Kurz erkennen musste. Warum hat man es trotzdem gemacht? Noch dazu so plump und offensichtlich. Vermutlich, weil sich die beide für smart halten, da sie sich fast ausschließlich in geschützten, staatsnahen Bereichen (ORF, ÖBB, Verbund, SPÖ) bewegen und diese mit der freien Wildbahn verwechseln (Kern glaubt vermutlich wirklich, er sei ein erfolgreicher Manager gewesen).
Diese Sendung war jedenfalls ein weiterer Tiefpunkt. Allerdings wird die Stange beim ORF-Wahlberichterstattungslimbo im Laufe der nächsten Wochen wohl noch um einige Zentimeter tiefer gelegt werden. Schließlich will man auch noch nach dem 15. Oktober einem SPÖ-Kanzler den Bauch pinseln.