Philipp Blom interviewt Frau Ulrike Guérot über ihr Buch Der neue Bürgerkrieg. Weite Teile des Auftritts, den Frau Guérot hinlegte, sind einem übel aufgestoßen. Angefangen bei der Diktion, der jede Nachdenklichkeit fern zu sein scheint, bis hin zu einer wortgewordenen Selbstgewissheit, die eher einer politischen Aktivistin eignet als einer Wissenschaftlerin. Darüber kann man je nach politischer Ausrichtung unterschiedlicher Ansicht sein.
Worüber man nicht verschiedener Ansicht sein kann, sind Äußerungen Frau Guérots, die schlicht indikutabel sind:
Da ist einmal die Rede davon, „daß der Mob Sokrates bei Aristoteles hingerichtet hat“. Ich fürchte, dass Frau Guérot von der Gerichtsbarkeit im antiken Athen keine blasse Ahnung hat. Sonst hätte sie eher vom ungeheuerlichen Beschluss der attischen Ekklesie über die Stadt Mytilene gesprochen als über das Urteil des attischen Geschworenengerichts gegen Sokrates.
Vorher hatte Frau Guérot von aequium ius gesprochen im Zusammenhang mit Ciceros Definition der Republik, res publica. (13:16). Ein nichtexistentes Wort in einem fremdsprachigen Zitat zu verwenden, um eine Aussage zu untermauern, ist für eine Wissenschaftlerin mehr als peinlich.
Was Frau Guérot sich dann (13:45) mit dem Begriff Revolution geleistet hat, ist wohl singulär:“... was heißt Revolution, es heißt revolvere, es heißt de facto zurück zu den Ursprüngen ...“ Das ist – sit venia verbo – pseudowissenschaftliches Geschwätz. So etwas von einer Universitätsprofessorin, noch dazu für Politische Wissenschaft, zu hören, gehört zur oft beschworenen Bildungskatastrophe.
Ein weiteres Indiz für diese stellt die Behauptung von Frau Guérot dar, daß 150 Jahre nach der Erfindung des Buchdruckes die Französische Revolution stattgefunden habe (13:45). Da stellt sich schon die Frage: Wo hat die gute Frau ihr Abitur abgelegt?
Dem ganzen Interview die Krone aufgesetzt hat Frau Guérot mit dem falschen Zitat von Ingeborg Bachmann „Die Wahrheit ist dem Menschen nicht erträglich“ (13:09). Nun kann es jedem passieren, falsch zu zitieren, das ist nicht der Punkt. Als Herr Blom nach Anrufen aus der Hörerschaft das Zitat richtigstellte: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, bedankte sich Frau Guérot bei der aufmerksamen Hörerschaft und sagte, dies sei „vom Sinn her ja das Gleiche“ (13:24). Einfach unglaublich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß da ein intellektuelles Problem bei Frau Guérot vorliegt (sonst müßte sie wohl ihres Postens enthoben werden). Vielmehr handelt es um mundfertige und penible Rechthaberei, um Mangel an Reflexion. Blom hat das Frau Guérot einfach durchgehen lassen.
Nach der Sendung habe ich in der FAZ eine Rezension des Buches von Frau Guérot gelesen. Darin moniert der Rezensent die Nichteinhaltung intellektueller Minimalstandards in dem Buch. Nach dem, was ich in diesem Interview gehört habe, verstehe ich die Kritik. Und ich möchte die Frage anschließen, wie eine Person dieses intellektuellen Zuschnitts auf den Posten einer Universitätsprofessorin gelangen konnte. Ich kann mich nicht des Eindruckes erwehren, daß die richtige politische Überzeugung nicht unwesentlich zu dieser Berufung beigetragen hat.