Und gib uns unseren täglichen Kern. So wie halt das russischen Fernsehen den dortigen Zusehern den täglichen Putin und das türkische den Türken ihren täglichen Erdogan verabreicht. Aber nicht nur durch die ständigen Auftritte des SPÖ-Vorsitzenden wird die ZiB in tägliche SPÖ-Festspiele verwandelt. Am Dienstag waren nicht weniger als vier SPÖ-Regierungsmitglieder in der sogenannten Informationssendung zu sehen, drei davon in Wort und Bild. Die Herren Kern und Stöger waren am Mittwoch gleich wieder dran.
Dabei wäre in Wahrheit einzig über das Salzburger Zusammentreffen Kerns mit dem französischen Präsidenten und den Regierungschefs aus Tschechien und der Slowakei ein Bericht journalistisch gerechtfertigt gewesen. Aber auch dann wäre es journalistisch essenziell gewesen, die wahren Fakten zu berichten, statt Hofberichterstattung zu betreiben.
Der ORF berichtete jedoch nur, dass Macron und Kern über den Wunsch nach einer Änderung der EU-Entsendungsrichtlinie einig seien (bei dieser geht es im Wesentlichen um die Gehälter von Ostarbeitskräften bei Tätigkeiten im Westen). Darüber jedoch, dass die beiden anderen Teilnehmer des Salzburger Treffens in diesem Punkt - im Interesse ihrer Landsleute - naturgemäß total andere Vorstellungen haben, war absolut nichts zu hören. Um das Gesicht zu waren, haben die Teilnehmer des Minigipfels schließlich lediglich angedeutet, dass sie auf einen Kompromiss bis Oktober hoffen - womit Kern bis zu den Nationalratswahlen verbergen kann, dass er auch da keinerlei Fortschritte erzielt hat.
Ebenso in einem zweiten Punkt gab und gibt es unter den vier Festspielgästen einen ganz klaren Dissens, den ORF-Kunden ebenfalls nie erfahren werden: Tschechen wie Slowaken denken nämlich nicht daran, bei einer Umverteilung der "Flüchtlinge" mitzumachen. Also auch kein Erfolg für Kern, also auch Schwamm drüber.
Sonst ist jeder kleinste Dissens eines schwarzen oder blauen Provinzpolitikers dem ORF groß aufgeblasene Berichte wert. Wenn es hingegen bei einem Treffen des Herrn Kern massive inhaltliche Meinungsverschiedenheiten gibt, wird das komplett verschwiegen, nicht einmal angedeutet. Man will ihn ja verzweifelt zum Staatsmann aufbauen, nicht als Loser zeigen.
Dafür erfährt man, dass sich die französischen Gäste über die netten Bürger von Salzburg gefreut haben ...
Ich glaube immer mehr, dass selbst das russische Fernsehen objektiver und interessanter sein dürfte.