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Kurt Ceipek (oe1 Sa, 18.02.2017, 12:00)
Mittagsjournal

Das Ö1-Interview mit Minister Sebastian Kurz wischt den letzten Zweifel beiseite: Die SPÖ hat den Nationalratswahlkampf eröffnet und der ORF hat als Vorfeldorganisation der Partei eine Schlüsselrolle zu übernehmen.

Edgar Weinzettl, einer der giftigsten Interviewer des roten Staats-Senders, hatte die Aufgabe übernommen, Sebastian Kurz vorzuführen und ihm Antworten zu entlocken, die man vielleicht langfristig nützen kann, um dem bürgerlichen Lager des Landes, der ÖVP, vor allem aber dem von seinen Gegnern besonders gefürchteten Jungpolitiker zu schaden. Und zu diesen ängstlichen Gegnern zählt sicher auch der ORF.

Der Stil, in dem dieses Interview „Im Journal zu Gast“ geführt wurde, war aggressiv, provokativ, präpotent und im Tonfall gehässig. Ein ORF-Watch-Leser nannte das Interview in einer empörten Nachricht an die Redaktion „hasserfüllt“. Sogar dieser harte Begriff ist – wenn man sich das Interview aufmerksam anhört – nicht von der Hand zu weisen.

Was Sebastian Kurz denn vor einem Jahr persönlich empfunden habe, angesichts von 15.000 im Flüchtlingslager in Idomeni im Schlamm lebenden Menschen, wollte Weinzettl eingangs wissen. Der Außen- und Integrationsminister antwortete trocken und sachlich, dass es katastrophale Folgen gehabt hätte, die Grenzen zu öffnen, „weil dann wären am nächsten Tag 30.000 gekommen“. So sei es gelungen, den Ansturm auf täglich unter 1.000 zu bremsen.

Was Weinzettl zur unsauberen und wohl auch unverschämten Anmerkung veranlasste: „Da hat der Pragmatiker über den christlich-sozialen Politiker gesiegt.“ Die trockene und unmissverständliche Antwort: „Jeder der glaubt, dass die Politik des Weiterwinkens christlich-sozial war, soll sich anschauen, wie viele Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Christlich-sozial ist es, vor Ort zu helfen“, meinte Kurz.

Ein erster glatter Niederschlag für den Interviewer.

Deshalb setzte Weinzettl zum nächsten Tiefschlag an. „Mit dem Schließen der Balkanroute haben Sie das Problem wieder Griechenland und Italien umgehängt.“ Kurz zum ORF-Mann: „Wenn Sie das behaupten, haben Sie das Integrationsthema nicht verstanden.“ Die Situation für Griechenland sei am schlimmsten gewesen, als täglich 15.000 Völkerwanderer dort ankamen. Kurz: „Alle die geglaubt haben, es würde Griechenland helfen, wenn man die Menschen einfach weiterwinkt, sind mittlerweile eines Besseren belehrt worden.“ Mit Schließung der Balkanroute sei der Zustrom nach Griechenland massiv reduziert worden.

Als nächstes packte Weinzettl die kritische Stimme des Ex-Diplomaten Wolfgang Petritsch aus, der Kurz jüngst vorgeworfen hatte, die Balkanstaaten würden „von Österreich in alter Habsburgermanier wieder zu Grenzbauern degradiert“. Kurz-Antwort: Petritsch sei von der SPÖ beauftragt, den Vorwahlkampf einzuleiten. In wesentlichen Balkanländern beurteilt man Kurz jedenfalls anders. Bei Besuchen in Serbien und Mazedonien wurde der junge Außen- und Integrationsminister in der vergangenen Woche jedenfalls von dortigen Spitzenpolitikern mit Lob förmlich überschüttet.

Worauf Weinzettl dem Außenminister indirekt unterstellte, von den Beitrittskandidaten „Wohlverhalten“ im Sinne Österreichs erpresst zu haben.

Den nächsten Schlag unter die Gürtellinie versuchte Weinzettl mit der Frage (wörtlich): „Herr Kurz, Sie waren gerade einmal drei Jahre alt, als die Berliner Mauer gefallen ist. Ist das vielleicht ein Erklärung dafür, dass Sie als Mitteleuropäer Verständnis haben können für Donald Trumps Mauerbau an der Grenze zu Mexiko?“

Kurz dazu: Donald Trump wähle die falsche Rhetorik, aber es sei für alle Länder der ganzen Welt richtig und wichtig, Grenzen zu schützen.

Worauf Weinzettl zum nächsten Tiefschlag ausholte: „Sie teilen noch etwas mit Trump, ihre scharfe Kritik an der deutschen Kanzlerin Angela Merkel...“ An dieser Stelle platzte Kurz verständlicherweise der Kragen. „Was teile ich mit Trump? Haben Sie mir nicht zugehört? Ich heiße gut, dass es Grenzschutz gibt.“

Was folgte, war ein weiteres Feuerwerk an ungehobelten und unverschämten Fragen, die nur der Interviewer und ein paar eingefleischte Kurz-Feinde für originell und raffiniert gehalten haben mögen. Kurz konterte jeden der Untergriffe und Tiefschläge in gewohnter Brillanz und entwickelt dabei immer mehr Routine.

Kritische Fragen in Interviews sind erlaubt und erwünscht, auch in einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem ORF. Ganz offensichtlich parteipolitisch motivierte und hinterhältig aggressive Fragen sind aus Sicht des neutralen Zuhörers zulässig für Partei-Pressedienste und denen nahe stehende Medien. Da sollte der ORF nicht dazu gehören.

Der offensichtliche Trugschluss der Kurz-Jäger ist, dass sie glauben, der Zukunftshoffnung Nummer 1 der heimischen Politik mit derartigen Attacken schaden zu können. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Hintergrund solcher Angriffe ist leicht durchschaubar und immer mehr frühere Kurz-Skeptiker sind überzeugt, dass er ein durch und durch österreichischer Politiker mit großen Zukunftschancen ist.

Dass ein öffentlich-rechtlicher Sender, der von allen Österreichern zwangsfinanziert wird und parteipolitisch neutral zu sein hat, derartige Interviews führt und ausstrahlt, ist ein Skandal. Es ist zu fürchten, dass den ORF-Hörern und -Sehern im anlaufenden Wahlkampf noch eine ganze Reihe solcher Skandale bevorsteht.

Der Link zur Sendung:

http://oe1.orf.at/player/20170218/460454