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Werner Grotte (oe1 Mi, 22.06.2016, 12:00)
Mittagsjournal

Normalerweise regen sich Österreicher auf, wenn unser landesübliches Idiom immer öfter durch deutsche Werbung und Serien „piefkenisiert“ wird, von wegen „außen vor lassen“, „lecker“, „zickig“ „in trockenen Tüchern“, „raus, rein, rüber, runter“, "Abzocke", "irre" oder „Tschüss“. Nun ist es aber umgekehrt: Eine deutsche ORF-Konsumentin beschwert sich darüber, dass im Ö1-Mittagsjournal zum Thema Abgas-Skandal die Sprecherin Andrea Maiwald den Namen der Stadt Hannover falsch ausgesprochen habe.

Im Leserbrief heißt es wörtlich:

Betrachten Sie es doch als Vorteil für Sie, so viele Besucher, Studierende und Arbeitende, insbesondere aus Niedersachsen in Österreich zu wissen. Sicher sind einige von diesen auch am Küniglberg… Die alle werden Ihnen sagen können  – weil es den Eigennamen ihrer Landeshauptstadt betrifft – dass diese dort  in der Aussprechweise [hannofer] heißt. Da brauchen Sie dann nichts Neues zu erfinden, so wie heute im Mittagsjournal-Bericht über das VW-Abgasthema. Hannower ist es nicht. Definitiv.

Es zeugt von starkem Heimatbezug, wenn jemand seinen lokalen Zungenschlag noch viele hundert Kilometer weit weg von Zuhause öffentlich verteidigt. Sehr liebenswert, könnte man sagen. Dabei wird das v im Österreichischen tatsächlich als w ausgesprochen. Im HannoFeranischen aber offensichtlich nicht.

Umgekehrt stellt sich natürlich, wenn man das auf anderer heimische Stadtbezeichnungen überträgt, die Frage, warum in den letzten Jahren alte österreichische Städte wie Pressburg oder Laibach in fast allen Medien – allen voran im ORF – konsequent nur noch als „Bratislava“ und „Ljubljana“ bezeichnet werden.

Warum spricht man dann noch von Prag, Brünn, Rom und Lissabon? Mit der gleichen Logik wäre Praha, Brno, Roma und Lisboa angebracht. Entweder alle Städte in unserer Diktion – oder keine.

Möglicherweise sind dies aber nur die Anfänge einer anti-deutschen, linken, „politisch-korrekten“ Ideologie, die bewusst jede Erinnerung an deutsch-österreichische Geschichte, Entwicklung und Kultur außerhalb der heute geltenden Staatsgrenzen auslöschen möchte. Immerhin sind nach 1945 – nicht nur aus Pressburg oder Laibach – so gut wie alle der dort über Jahrhunderte lebenden deutsch-stämmigen Bürger getötet oder vertrieben und in jedem Fall enteignet worden. Deutsch-österreichisch besiedelte Regionen wie Schlesien, Südmähren oder Ostpreußen wurden nach dem Krieg einfach radikal entvölkert und neu besiedelt – Ostpreußens historische Deutsch-Ordens-Metropole Königsberg heißt seither „Kaliningrad“ und wurde zu russischem Staatsgebiet an der Ostsee – ohne auch nur annähernd geographische Verbindung nach Russland zu haben.

Nur so ist es möglich, dass Einwohner Bratislavas oder Ljubljanas nicht ähnlich reagieren können wie jene HannoFers. Sie kennen es ja seit sieben Jahrzehnten nicht anders, weil ein wichtiger Teil ihrer Wurzeln gekappt wurden - wenngleich diese auch noch im Stadtbild oder auf den Friedhöfen deutlich sichtbar sind.

Was aber die Österreicher (oder zumindest gewisse Teile von ihnen) davon abhält, ihre ehemaligen Lebensräume auch erkennbar als solche zu bezeichnen, erscheint hinterfragenswert. Man kann die eigene Geschichte wohl totschweigen – ungeschehen macht man sie dadurch aber nicht.