ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Andreas Unterberger (ORF2 Mi, 09.03.2016, 19:30)
Zeit im Bild

Reinhold Mitterlehner beschwert sich zu Recht vor laufender Kamera über die skandalöse Einseitigkeit des ORF, der dem SPÖ-Vorsitzenden einen einstündigen Exklusivauftritt in der Sonntagsabend-Schiene „Im Zentrum“ zuschanzt. Dennoch muss sich auch die ÖVP selbst bei der Nase nehmen, nicht nur weil Mitterlehner seine Beschwerde in wenig souveräner Form vorgebracht hat.

Denn dass der ORF ein linker „Bestellfunk“ geworden ist, ist ja bei Gott nichts Neues. Von der rein rotgrünen Besetzung aller wichtigen Informations-Posten bis hin zu Personalvertretungswahlen mit fast volksdemokratischen linken Ergebnissen oder zu einer nur durch die rotgrüne Brille stattfindenden Themenauswahl in allen politischen und Informations-Sendungen gibt es eine Unzahl von Gründen, weshalb die große Mehrheit der Österreicher sich seit langem und fast tagtäglich über den Zwangsgebührenkassierer ORF ärgert.

Die ÖVP hätte es jedoch ebenso seit Jahren in der Hand, mit einer parlamentarischen Mehrheit zusammen mit FPÖ, Team Stronach und wohl allen unabhängigen Mandataren diesem ORF unter großem Jubel der Österreicher den Gebührenhahn zuzudrehen. Nur so wäre dieser milliardenschwere Megamissbrauch des Gebührenmonopols durch eine linke Bobo-Schickeria abzudrehen (die Abwahl des Generaldirektors alleine würde hingegen noch gar nichts bewirken).

Aber: Die ÖVP hat sich nie getraut. Dabei hat Werner Faymann selber im Jahr 2008 die Koalitionstreue gebrochen, als er gegen den Willen seiner Koalitionspartners ÖVP mehrere Gesetze (die die Steuerzahler sehr teuer kommen!) durchs Parlament peitschen ließ, wo er mit den Freiheitlichen paktiert hat. Also wäre die ÖVP moralisch voll legitimiert, wenn sie dasselbe in dieser und einigen anderen staatspolitisch wichtigen Fragen tun würde. Aber sie hat es nicht getan.

Daher: Selber schuld. Noch schlimmer, die ÖVP betreibt seit Jahren nicht einmal eine professionelle Medien- und ORF-Beobachtung. Daher fällt ihr nur alle paar Monate eine ORF-Sauerei auf, obwohl sich die Seher und Hörer fast ständig darüber ärgern müssen.

Noch einige Anmerkungen zum Faymann-Auftritt selbst: Dieser ist aus mehreren Gründen nicht mit einem exklusiven Erscheinen von Angela Merkel in einer deutschen TV-Talkshow zu vergleichen.

  • Erstens gibt es in Deutschland praktisch täglich eine Talkshow, im ORF hingegen nur eine einzige. Weshalb ein Einmann-Auftritt naturgemäß viel größere Bedeutung hat.
  • Zweitens ist Merkels Fraktion zahlenmäßig allen anderen weit überlegen; die österreichischen Koalitionsparteien sind hingegen fast gleich stark.
  • Drittens ist es kein Zufall, dass Faymann, der jahrelang dem ORF (bis auf die Hofberichterstattung der ZiB1) aus dem Weg gegangen ist, ausgerechnet jetzt gerne ins Fernsehen gehen will: Denn er ist zum erstenmal in seiner Amtstätigkeit auf einer Linie, mit der er auf breite Zustimmung und einen Ausbruch aus seiner Dauer-Defensive hoffen kann.
  • Viertens hat zweifellos der ÖVP-Außenminister – man denke nur an die von ihm organisierte und entscheidende Balkan-Konferenz! – und die FPÖ die neue Linie Österreichs viel stärker und vor allem früher geprägt und verlangt als Faymann, der erst nach der diesbezüglichen (wohl unter dem massiven Druck ihrer Leser erfolgten) Wende der Kronenzeitung dann auf deren Vorgaben aufgesprungen ist. Daher wäre etwa Sebastian Kurz mindestens ebenso legitimiert wie Faymann zu einem großen Auftritt im Zwangsgebührenfernsehen.
  • Fünftens wird damit eindeutig Faymann die Gelegenheit gegeben, diese neue Politik als seine alleinige Erfindung oder sein alleiniges Verdienst darzustellen.
  • Sechsten ist es lächerlich, wenn der ORF sagt, das sei eine rein redaktionelle Entscheidung, wenn die Fernsehredaktion seit Jahren wie eine SPÖ-Außenstelle funktioniert.
  • Siebentens ist es alles andere als ein Zufall, dass das Ganze knapp vor einer ORF-Direktorenwahl stattfindet, bei der Faymann weitaus die meisten Stiftungsräte persönlich auswählen hat können.
  • Und achtens findet noch früher die Präsidentenwahl statt, wo die SPÖ dringend einen Auftrieb bräuchte. Was die Herren Wrabetz, Dittlbacher und Stoppacher aus ihrer jahrelangen SPÖ-Prägung heraus natürlich genau spüren.