Schon die Ankündigung klang vielversprechend: In „Heute Österreich“ wollte man sich mit Christbaum-Klauern beschäftigen. In der Sendung selbst fiel das Unwort dann tatsächlich zweimal. Einmal fragte der ORF-Reporter einen zuständigen Polizisten danach. Der antwortete dann auch reflexartig im gleichen Jargon, verbesserte den Klau dann aber rasch und ebenso reflexartig wieder in seiner Muttersprache auf Christbaum-Diebe.
Ja, so ist das im österreichischen Staatsfernsehen, wenn es um die eigene, nationale (=böse) Sprache geht. Die wird – ganz im multi-“kulturellen“ Credo – einfach generalgermanisiert. Immerhin, es war wenigstens nicht denglish.
Doch auch im heimischen Deutsch sind die ORFler längst nicht mehr sattelfest: So hörten wir in den Radio-Nachrichten zum Thema Aids erst kürzlich, dass der HIV-Virus noch immer eine Bedrohung darstellt. In einem Nachrichtenbeitrag über Gefängnis-Freigänger, die bei der Polizei putzen, erfuhren wir, dass dieses Arbeits-Programm auch für die Freigänger einen Nutzen bringt, weil sie sich was dazuverdienen. Was für ein Glück!
In einem Beitrag über gebrauchtes Spielzeug entdeckte man Flohmarkt-Kinderwägen. Dabei dachten wir bisher, dass Wagen einer jener Begriffe ist, der (zumindest in Österreich) im singular und plural gleich geschrieben wird.
Das Weglassen der (wichtigen, weil richtungsgebenden) ersten Silben wiederum ist nicht nur bei den Gratis-U-Bahn-Blättern groß in Mode – auch im ORF fallen immer öfter Begriffe wie raus (oder gar Rauswurf), rein, rüber, runter, mal. Würde man im Dialekt reden, würde der Ausseschmeißer so zum Rauswerfer. Leider werden aber deutsche Slang-Begriffe wie raus oder mal zunehmend auch in (vermeintlich) hochdeutsche Nachrichtentexte eingebaut. Auf gut Österreichisch könnte man sagen: einfach g’schlampert!
Da Medien aber Sprachbilder in Richtung Konsumenten vorgeben, wird es in absehbarer Zeit also keine herein/hinausgehenden oder hinein/herausgehenden Menschen mehr geben, sondern nur noch Rein- und Rausgeher, egal, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Und das bisher sehr präzise differenzierende Deutsch wird dem wesentlich simpleren Englisch immer ähnlicher. So gesehen ist Multi-Kulti also eher Minus-Kultus.
Aber wer kümmert sich denn heute noch um Kultur oder Sprachvielfalt. Mittlerweile müssen wir ja froh sein, wenn in den Schulklassen unserer Kinder überhaupt noch nennenswerte Gruppen vorkommen, deren Muttersprache Deutsch ist....