Kein Zweifel: Der Wahlkampf in Wien hat begonnen. Nur so ist zu erklären, dass Wiens Stadtoberhaupt Michael Häupl nur einen Tag nach einem ausführlichen Interview bei der samstäglichen Mittags-Nachrichtensendung in Ö1 „im Journal zu Gast“ war.
Dabei war nicht zu überhören, wie wohlgesonnen die Innenpolitik-Redaktion des ORF den Sozialdemokraten, besonders aber deren mächtigstem Vertreter Michael Häupl ist. Für an Politik interessierte Österreicher keine Überraschung und auch keine Neuigkeit.
Die Kunst dieser Interviews besteht in solchen Vorwahlsendungen darin, dem Politiker Fragen zu stellen, die hinterhältig klingen, dem Befragten aber die Möglichkeit eröffnen, zu zeigen, wie schlagfertig, wortgewandt, ehrlich und staatsmännisch er doch ist. Die Antwort muss möglichst brillant ausfallen. Das passierte unter der Interviewführung von Edgar Weinzettl sehr ausgiebig.
Zum Dauerbrennerthema „Millionärssteuer“ fragte ORF-Hörfunkmann Weinzettl: „Da sind sie jetzt der ÖVP entgegengekommen. Wo ist Ihnen denn die ÖVP entgegengekommen?“ Dabei hatte Häupl im Satz davor festgestellt, dass er sich sehr wohl eine Millionärssteuer wünsche, vor allem die höchst umstrittene Erbschaftssteuer.
Finanzminister Schelling hatte hervorgehoben, eine Vermögenssteuer sei nicht erforderlich, weil das für die Steuerreform notwendige Volumen auch mit verstärkten Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Schließen von Steuerschlupflöchern zu erreichen sei. Häupl plädiert dennoch für die Millionärssteuer, weil diese zusätzlichen Einnahmen für den Finanzminister „sehe ich zur Stunde nicht.“
Immerhin nützte Häupl das Interview auch für einen kleinen und entlarvenden Seitenhieb gegen die Gewerkschaften. „Die Gewerkschaft interessiert sich in erster Linie für die Steuersenkung.“ Dass man so einer Steuerreform auch finanzieren müsse, stehe für die Gewerkschafter „nicht wahnsinnig im Vordergrund“. Immerhin eine wesentliche Erkenntnis, denn im rot-grünen Lager gibt man Steuergeld gerne beidhändig aus, ohne sich lange darüber den Kopf zu zerbrechen, dass man dieses Geld auch haben sollte. Die Jahr für Jahr anwachsenden Mega-Schulden der Stadt Wien geben davon ein beredtes Zeugnis.
Eine besonders nette Frage lautete: „Haben Sie das Zepter in der Wiener SPÖ noch fest in der Hand?“ Darauf konnte Häupl sozialdemokratisch entrüstet antworten: „Ich bin doch kein König und kein Monarch. Ich bin seit 21 Jahren demokratisch gewählter Parteivorsitzender. Mit so lächerlichen Überlegungen brauche ich mich nicht auseinandersetzen.“
Mehr als eine Viertelstunde – eine kleine Ewigkeit für eine Nachrichtensendung – dauerte die Wahlkampfunterstützungssendung für Häupl. Das lässt für die nächsten Monate bis zur Wien-Wahl ein wahres Wahlwerbe-Feuerwerk erwarten. Das Werbebudget der Gemeinde Wien für heuer wurde jedenfalls vorsorglich schon kräftig aufgestockt. Häupl offenherzig: „Darüber freuen sich nicht nur die Boulevardzeitungen sondern auch der ORF.“