ORF 2 stilisiert „30 Jahre Hainburger Au“ zum großen Heldenepos. Mirakulöse Dinge haben sich ereignet, dass wirklich endlich mal jemand im Vatikan nachfragen sollte, ob man das nicht in den Kanon der Wunder aufnehmen könnte. Karl Blecha (damals Innenminister) erzählt, er habe eine bürgerkriegsähnliche Situation verhindert. Polizeieinsatz, Schlagstöcke, tausende Demonstranten. Ein zentrales Ereignis in der Geschichte der Zweiten Republik!
Die „Zeit im Bild 1“ 1984, moderiert von Horst Friedrich Mayer, hat es offenbar nicht ganz so pathetisch gesehen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der heute beschaulichen Au betrafen 2500 Demonstranten, die angeblich von der Polizei brutalst verprügelt worden sein soll; wirklich weh getan haben sich ganze 20 Leute und davon waren ein Drittel Polizisten. Die ZiB hatte diese Daten vom Innenministerium. Vielleicht war denen das peinlich und sie haben ein bisschen untertrieben. Aber selbst wenn es doppelt oder dreimal so viele Verletzte gewesen wären, so wirklich blutig stell ich mir diesen so geheißenen Mittwoch vor 30 Jahren eher nicht vor.
Die heutige ZiB lässt auch die anschließende Protestdemo in Wien unerwähnt, bei der sich die APA jener Tage nicht ganz sicher war, ob die spontane Empörung der Bevölkerung 14.000 oder doch 40.000 Menschen auf den Heldenplatz gelockt hat. Proteste gegen Regierungen haben mittlerweile ganz andere Dimensionen angenommen, ohne dass sie die Meinung der großen Mehrheit der Bevölkerung auch nur im Geringsten beeinflusst hätten. Letztlich ist die Regierung unter dem – wie wir uns heute mit allen Vorzügen der Retrospektive eingestehen müssen – schillerndsten und entschlossensten Bundeskanzler der Zweiten Republik vor den Demonstranten eingeknickt.
Doch das wirklich wesentliche an den Ereignissen vor 30 Jahren ist doch viel mehr, dass sie der Gründungsmythos der Partei geworden sind, die die Mehrheit der ORF-Redaktion und der ganzen Journalistenzunft heute wählt. So gesehen ist es nur legitim, dass dieser Jahrestag mit gebührendem Brimborium begangen wird. Merry Hainburg!