Manche ORF-Redakteure scheinen entweder beratungs- oder recherche-resistent. Neuerlich ist in einem Online-Beitrag von „Bordellen“ in Wien die Rede – dabei gab und gibt es in Wien keine legalen Bordelle. „Vor drei Jahren wurde in Wien das Prostitutionsgesetz novelliert und der Straßenstrich in Wohngebieten verboten. Die Prostituierten bieten jetzt ihre Dienste überwiegend in Bordellen und Laufhäusern an.“, liest man auf wien@orf.at. Allerdings sind weder im alten noch im neuen Prostitutionsgesetz Bordelle in Wien gestattet.
Laufhäuser hingegen sind– zumindest vom Modell her - so ziemlich das Gegenteil eines Bordells. Im Laufhaus können sich Prostituierte in geschütztem Rahmen ein Zimmer mieten und eigenständig ihre Kundschaft empfangen, ohne dass ein Zuhälter zwingend vorgesehen ist (was in der Praxis natürlich auch nicht immer so ganz reibungslos funktioniert).
Anstatt sich aber mit dieser Problematik auseinander zu setzen und vielleicht einmal direkt an Ort und Stelle zu recherchieren, mit den Damen über ihre tatsächlichen Nöte zu sprechen, werden Allerweltsfloskeln nachgebetet. So würde – laut ORF – „in den Studios, Massagesaloons (sic!) und vor allem in den Laufhäusern das Geschäft blühen“. Was genau ein „Studio“ oder gar ein „Massagesaloon“ ist, wird nicht näher definiert. Wir kennen aus der traditionellen US-Gastronomie den „Saloon“, wo man Tanzen, Kartenspielen und Whisky bechern kann – und wir kennen den Massage-„Salon“ als Ort heilender Hände, jedoch eher ohne Sex (außer vielleicht die Thai-Massagestudios). Was es aber in einem „Massagesaloon“ zu konsumieren gibt, wäre interessant zu erfahren.
„Regelmäßig werden die 300 Rotlichtlokale von den Behörden aufgesucht“, erfahren wir weiter vom ORF. Was das genau ist, so ein „Rotlichtlokal“, wird natürlich nicht definiert. Höchstwahrscheinlich deshalb, weil die zuständigen Schreiber (oder Schreiberinnen) noch nie in einem solchen waren. Daher geht es fröhlich inkompetent weiter: „Heuer wurden 20 illegale Bordelle geschlossen“. Da es keine legalen Bordelle in Wien gibt, erscheint das eher logisch.
„Viele Prostituierte berichten (Wem? Dem ORF?) von brutalen Freiern und geldgierigen Vermietern. Ein Gutteil muß die Einnahmen unter Androhung von Gewalt abliefern. Doch meist ist es bittere Not, die die Frauen zur Sexarbeit zwingt.“, werden weiter Klischees verwurstet. Und zum Schluss darf natürlich der Verweis auf Hilfsorganisationen wie „Lefö“ oder „Sophie“ nicht fehlen. Die sind aber ziemlich machtlos gegenüber einer Unzahl meist ausländischer und vielfach auch illegal tätiger Prostituierter in Wien.
Abhilfe würde da die von vielen, vor allem einheimischen Prostituierten seit Jahren geforderte Einbindung der Sexarbeiterinnnen (und Arbeiter! - Neben mehr als 3.500 Frauen sind in Wien auch 70 Männer offiziell als Prostituierte registriert) in eine geregelte Berufsgruppe mit entsprechendem Schutz durch die Wirtschaftskammer oder Gewerkschaft bringen. Denn das angeblich „älteste Gewerbe der Welt“ ist keines. Sexarbeit gilt nach wie vor als „Freies Unternehmertum“, ohne Krankenversicherung, ohne Urlaubs- oder Pensionsanspruch – es sei denn, man bezahlt das alles selbst. Doch weder die schwarzen Kämmerer noch die roten „FrauenschützerInnen“ wollten sich bisher für diese vielfach massiv gedemütigte und ausgebeutete Gruppe von „Freischaffenden“ einsetzen.
Der ORF schon gar nicht. Denn der kennt ja nicht einmal den Unterschied zwischen Laufhaus und Bordell.