Sonntags um 11 Uhr Vormittag lädt der ORF einen Polit-Promi in die Pressestunde ein. Das kann – je nachdem welche Journalisten dem Politiker gegenüber sitzen – recht unterhaltsam und manchmal sogar aufschlussreich sein. Diesen Sonntag war die neue Nationalratspräsidentin Doris Bures zu Gast. Das war weder unterhaltsam noch aufschlussreich. Die beiden fragenden Journalisten – Ulla Kramar-Schmid vom Nachrichtenmagazin Profil und Thomas Langpaul vom ORF – behandelten die aus dem engen Freundeskreis von Alfred Gusenbauer stammende SP-Frontfrau ihrer neuen Funktion entsprechend ehrerbietig. Unangenehm lästige Fragen stellte gleich gar nicht.
Deshalb durften die ergriffenen Zuseher freudig erregt anhören, dass Frau Bures eine faire Parlamentspräsidentin sein wolle und dass die Regierung angesichts der wirtschaftlichen und politischen Lage in Österreich, Europa und der übrigen Welt an einem Strang ziehen müsse.
Das haben sich allerdings alle Koalitionsregierungen vor der jetzt neu formierten SP-VP-Regierung auch vorgenommen, aber meist hielt der Waffenstillstand nur bis zum Start des nächsten Wahlkampfes.
Natürlich gaben die beiden Interviewer der früheren Ministerin bereitwillig Gelegenheit, für die Steuerreform nach SP-Muster zu werben. Ihr wunderbares Rezept: die mehr haben sollen mehr Steuer zahlen und jene die weniger haben sollen weniger in den Steuertopf stopfen müssen. Als ob das jetzt nicht auch der Fall wäre.
Und Frau Bures verkündete wortreich: Auch beim Steuer zahlen ginge es um Fairness. Was sie nicht dazu sagte war, dass allein die SPÖ die Regeln aufstellen wolle, was fair ist und was nicht. Das Rezept, wie man es macht, dass alle mehr im Geldbörserl haben um mehr zu konsumieren, ohne dass Österreich in eine noch größere Schuldenkrise stürzt, verriet sie zumindest in dieser Pressestunde nicht. Immerhin stellte sie außer Streit, dass das Budget konsolidiert werden müsse.
Frau Kramar-Schmid, die hauptsächlich durch eine überdimensionierte Brille auffiel, bot der Neo-Parlamentspräsidentin auch noch Gelegenheit, sich als heldenhafte Alleinkämpferin gegen die in Deutschland geplante Pkw-Maut zu präsentieren und auf peinlichste Art ihre eigene Beharrlichkeit in dieser Diskussion zu loben.
Die einzige ein wenig spannendere Frage kam im Zusammenhang mit der Frauenquote in der SPÖ: Ob sie bei der Nachbesetzung des frei gewordenen Nationalratsmandats für die Kandidatin oder den Kandidaten aus Oberösterreich gestimmt habe. Diese Frage umschiffte Bures wortreich, ebenso wie die Frage, ob denn die direkte Demokratie in Österreich gestärkt werden solle. Gewohnte politische Antwort: Das müsse in den Gremien eingehend diskutiert werden.
Das kann erfahrungsgemäß in Österreich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern.
Die Frage, ob für Frau Bures das Amt des Wiener Bürgermeisters oder besser der Wiener Bürgermeisterin oder jenes einer Bundespräsidentin reizvoll wäre hätte sich die Profil-Interviewerin ersparen können. Die no-na-Antwort der Frau Bures: Sie werde das Amt der Nationalratspräsidentin „mit großer Demut und großem Respekt“ ausüben.
Aber da hatten die meisten Zuseher vermutlich schon längst abgeschaltet, denn Pressestunden mit Präsidenten und Kanzlern sind viel langweiliger als Diskussionen mit bunten Hunden wie Jörg Haider, Stronach (der bot noch viele unterhaltsame Überraschungen), Strache oder Strolz.
Üblicherweise reagieren die Presseabteilungen der Parlamentsparteien nach Pressestunden auf Äußerungen der soeben Befragten unverzüglich und giftig mit Presseaussendungen, in denen meist steht, das eben gesagte sei „zu spät und zu wenig“, oder „unglaubhaft“ oder aus sonstigen Grünen „strikt abzulehnen“.
Diese Pressestunden war so langweilig, dass – außer einer seltsamen Wortmeldung der Grünen – nicht einmal solche Aussendungen kamen. Wahrscheinlich waren die dafür Verantwortlichen schon eingeschlafen.