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Werner Grotte (oe1 Di, 10.06.2014, 12:00)
Mittagsjournal

Jedesmal, wenn irgendwo überdurchschnittlich viele Motorradunfälle passieren – wie etwa am vergangenen Pfingstwochenende -, meldet sich das von der Versicherungswirtschaft gesponserte „Kuratorium für Verkehrssicherheit“ (KfV) mit tendenziösen und praxisfernen Forderungen zu Wort und hofft, dass ihm ahnungslose Journalisten auf den Leim gehen. In diesem Fall gelang ihm das im Ö1-Mittagsjournal. Dort vernahm man zunächst, dass sich die in den Vorjahren stets rückläufige Zahl tödlicher Verkehrsunfälle in Österreich heuer leider wieder ins Gegenteil verkehrt habe. Als besonders gefährdete bzw. „schuldige“ Gruppe wurden dann sogleich die Motorradfahrer entlarvt: Allein im Pfingstverkehr seien „sechs von zehn Toten Motorradfahrer gewesen“. Wobei schon die Zahl nicht zu stimmen scheint – zumindest laut amtlicher „Wiener Zeitung“ starben zu Pfingsten 13 Menschen im Straßenverkehr.

Scheinbar haben die Ö1-Journalisten gänzlich darauf vergessen, hier auch nur minimal gegenzurecherchieren oder wenigstens einen Kollegen zu fragen, der ein Zweirad besitzt. Der hätte ihnen dann zum Beispiel gesagt, dass die Zahl Einspuriger in Österreich in den letzten Jahren – teils im zweistelligen Prozentbereich - kontinuierlich auf rund 700.000 zugelassene Fahrzeuge bundesweit gestiegen ist; knapp 90.000 davon sind schwere Maschinen; der Rest setzt sich zu etwa gleichen Teilen aus Mopeds, 125ern und Rollern zusammen, wobei letztere mit Motorvolumen bis 650 Kubik teils auch schon zunehmend im Segment der „Schweren“ zu finden sind. Wo mehr Fahrzeuge, da auch mehr Unfälle. Doch diese Relativitätsrechnung wird bei den KfV-Berechnungen gern ignoriert.

Ebenfalls ignoriert wird, dass an einem absolut regenfreien, sonnigen, langen Wochenende wie dem letzten – und speziell nach dem verregneten Mai – einfach überdurchschnittlich viele Einspurige unterwegs sind, weil es solche Tage hierzulande klimabedingt nur selten gibt. Wer nur irgend ein Zweirad besitzt, schmeißt sich an einem solchen Wochenende auf die Strecke. Wiederum gilt – mehr Fahrzeuge, mehr Unfälle. Umgekehrt gibt es im Winter –zig Wochenenden, wo kein einziger Motorradfahrer stirbt, aber umso mehr Autolenker.

Ein wesentlicher Punkt betrifft auch die Verschuldensfrage, die mit keinem Wort erwähnt wurde. Sind doch in etwa der Hälfte der Zweiradunfälle andere Verkehrsteilnehmer schuld – etwa Autos, die schneiden, ohne Blinken abbiegen oder ohne zu schauen die Türen aufreißen. Der einzige Punkt, auf den sich KfV und Ö1 draufsetzten waren jedoch „Raser und Lenker mit zu wenig Fahrpraxis“.

Regelrecht skurril muteten schließlich die Vorschläge des KfV für Gegenmaßnahmen an. So forderten die selbsternannten Experten etwa „Zusatzausbildungen“ für Motorradlenker, etwa für das Befahren der „Kalten Kuchl“, einer beliebten Zweiradstrecke im südwestlichen Niederösterreich, wo an Wochenenden wie jetzt zu Pfingsten tausende Zweiradler die Kurven ausschmieren. Wie stellt sich das KfV das vor? Sollen sich an jeder Zufahrtsstraße der 175 Kilometer langen Strecke Polizisten postieren und bei jedem vorbeiknatternden Radler den „Kalte Kuchl-Sonderausweis“ prüfen? Allein um das zu bewerkstelligen, müssten man (mindestens) alle Beamten aus ganz Niederösterreich hier zusammenziehen. Und was ist mit den vielen anderen beliebten Motorradstrecken wie Exelberg oder Riederberg? Müssen Einspurige künftig einen ganzen Ordner voll mit Zusatzausbildungsnachweisen mit sich führen? Und wer stellt diese  – natürlich gebührenpflichtig - aus? Und nach welchen Kriterien? Etwa das KfV – nach erfolgter Prüfung vom sicheren Auto aus?