Das waren noch Zeiten, als am 1. Mai das halbe rote Wien auf den Beinen war. Doch die SPÖ tut sich zunehmend schwerer, ihre Genossen zu mobilisieren. Zwar war auch heuer wieder der Rathausplatz anfänglich ganz gut gefüllt, als Häupl und Faymann ans Rednerpult traten, hatte sich die Menge aber schon gelichtet.
Davon hat der ORF-Zuseher allerdings wenig mitbekommen. In Wien Heute schwenkte die Kamera stets nur in die ersten Reihen. In der ZiB1 dürfte man sogar Bilder vom gut gefüllten Rathausplatz, die vor den Reden aufgenommen worden sein dürften, zwischen die Auftritte von Häupl und Faymann geschnitten haben.
Gleich nach dem SPÖ-Jubelbeitrag nimmt sich die ZiB1 die FPÖ zur Brust. Deren 1.-Mai-Veranstaltung sei eine Mogelpackung gewesen, kritisiert der ORF. Der ganze Beitrag ist von einem zynischen Unterton und von standardisierten FPÖ-Bashing-Floskeln geprägt. Genüsslich wird gleich dreimal erwähnt, dass die Veranstaltung in einem Bierzelt stattgefunden hat. Und natürlich darf auch die Großaufnahme von drei Krügel Bier nicht fehlen. So viel Informationsauftrag muss sein. Den Freunden von der SPÖ dürfte man mit kreativer Kameraführung und Schnitttechnik unter die Arme gegriffen haben, von Kritik ohnehin keine Spur, um gleich danach am politischen Gegner kein gutes Haar zu lassen. Objektivität und Unabhängigkeit sind für den ORF tatsächlich Fremdworte.