Wir haben einmal in einer kleinen, heilen Welt gelebt. In jener, die uns tagtäglich nur die „Zeit im Bild“ ins Haus lieferte. So hatten wir denn eine ORF-Sicht der Dinge und dachten, wir seien informiert. Mit dem Einzug von Kabel und Satellit aber wurde offensichtlich, dass dem nicht so ist. Wer die selbstquälerische Angewohnheit hat, nach der 19:30-ORF-Sendung um 20 Uhr die ARD-Tagesschau anzusehen, der weiß: Wir leben in einer kleinen österreichischen Welt, die mit der echten kaum etwas zu tun hat.
Ein Beispiel – Freitag, der 4. April. Zufällig ausgewählt. Aber: Es gibt keinen Zufall.
Beide Sendungen haben als Spitzennachricht den CIA-Folterbericht. Allerdings: die Österreicher werden mit einem oberflächlichen Bericht (fast wortident mit den Radioberichten, die seit den Morgenjournalen gelaufen sind) und anschließendem Korrespondenteninterview abgespeist, in dem auf unbedarfte Moderatoren-Fragen die leeren Floskeln des Berichts wiederholt werden. Kein Wort, dass Diane Feinstein (die Ausschussvorsitzende, die die Fakten veröffentlichen will) bis vor kurzem hinter der CIA stand. Kein Wort, dass die CIA Senatsmitarbeiter abgehört hat. Kein Wort über die kritischen Stimmen der Republikaner. Das alles bringt nur die ARD.
Beide berichten dann über die Kriegsphotographin Anja Niedringhaus, die in Afghanistan von einem Polizisten ermordet wurde. Tja, die Österreicher erfahren von ihrem Tod, von der schwer verletzten Kollegin, die im selben Auto gesessen ist. Das war’s. Die Deutschen hingegen bekommen einen Bericht über die afghanischen Wahlen vom 5. April, über die Gewalt, die in der angespannten Situation so stark eskaliert, dass sich kaum mehr Menschen auf die Straßen wagen. Es gibt Informationen, wie stark in den unterschiedlichen Regionen die Angst die Wahlbeteiligung beeinflussen wird und dass allein schon eine hohe Wahlbeteiligung eine Niederlage für die Taliban bedeuten könnte. Dann geht man auf die ermordete Journalistin ein – die immerhin den Pulitzer-Preis gewonnen hat - und zeigt ihre beeindruckenden Photos (auf die Idee kommt offensichtlich der ORF nicht einmal).
Und schließlich die dritte Nachricht – wieder in beiden Sendern. Das EU-Außenminister-Treffen. Ha, denkt der vom ORF Informierte nach konsumierter „Zeit im Bild“: Jetzt werden die großkopferten Nachbarn endlich auch über unseren Sebastian Kurz berichten müssen, der der Ukraine die Neutralität erklärt. Hat sich was mit den unbedeutenden Ösis! Darum geht es in Athen!
Aber siehe da: Der ORF war offensichtlich bei einer anderen Veranstaltung. Denn wie man in der ARD-Tagesschau erfahren konnte, wurde dort viel weiter gedacht. Dass man kein Land mehr zwingen sollte, sich zwischen EU und Russland zu entscheiden. Dass Assoziierung bei weitem keine Beitrittsperspektive ist. Sebastian Kurz war grade einmal im Gruppenbild, von seiner Neutralitäts-Nachhilfe keine Rede.
Es ist ein täglicher Krampf, wenn man die österreichischen Nachrichten-Sendungen mit den deutschen vergleicht. Um wie viel fundierter wird dort berichtet. Aus dem Ausland kommen nicht Gefühle und persönliche Eindrücke der Korrespondenten, sondern recherchierte Informationen, Interviews mit Experten vor Ort und beeindruckende Bilder (die man oft am nächsten Tag in einer der „ZiB“s auch sehen kann). Am Geld kann’s nicht liegen: Schließlich müssen wir uns unseren öffentlich rechtlichen Sender Gebühren kosten lassen, die um ein knappes Drittel höher sind. Qualität muss also nicht immer teuer erkauft sein.