ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Simon Kräuter (Ideologie: Mo, 08.06.2020, 21:25)
Anschober, der Rechtsstaat und der ORF

Journalistisches Grundethos sollte unbestritten immer sein, als Berichtender alle Fragen zu stellen oder zu thematisieren, die sich dem Leser oder Seher im Rahmen eines Berichts unmittelbar aufdrängen.

Einst in der DDR oder heute noch beim ORF wurde das aber dahingehend praktiziert, dass unangenehme Themen beharrlich vermieden werden, auch wenn sie zur Vollständigkeit eines Beitrags geradezu existenziell sind.

Österreich wird von vielen - auch heute noch - als Rechtsstaat bezeichnet. Das heißt, daß jedes hoheitliche Handeln durch Gesetz gedeckt sein muß. Kein Akt der Verwaltung oder der Staatsgewalt darf ohne ausdrückliche und verfassungsmäßig zustandegekommene Ermächtigung erfolgen. Will die Polizei z.B. einen Autoraser strafen, so darf sie das nur, wenn ein konkretes Gesetz sie dazu ermächtigt.

Dieses rechtstaatliche Prinzip wurde in den letzten Monaten in Österreich geradezu vergewaltigt. Und auch heute trafen sich Gesundheitsminister Anschober (Grüne), die Wiener Gesundheitsstadträtin Hebein (Grüne) und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), um ihren Untertanen zu verkünden, unter welchen Bedingungen diese denn in Zukunft ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen dürfen. Im ORF-Artikel über das Zustandekommen dieser neuen Vorschriften wurden diese Bedingungen durchgehend als "Regeln" bezeichnet. 

Spätestens hier würden sich jedem Journalisten, der zumindest Reste von investigativem Antrieb hätte, grundlegende Fragen aufdrängen, z.B. welcher Rechtsnatur sind diese "Regeln"? Handelt es sich um Gesetze? Verordnungen? Erlässe? Welche Körperschaft erläßt diese Regeln?

Erlassen hier Wiener Kommunalpolitiker Vorschriften, die in den anderen acht Bundesländern nun auch gelten? Durch welche Ermächtigung? Was ist das eigentlich für ein ad-hoc gesetzgeberisches Gremium, das plötzlich vorschreibt, unter welchen Umständen den Österreichern das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit versagt wird? Ab wann wird das exekutiert? Wie lautet die wörtliche Formulierung?

Auch nur ein Funke kritischen Journalistengeists hätte genügt, auch nur ansatzweise diesen weiteren Mosaikstein im Herunterfahren des Rechtsstaates und vieler Grundrechte allgemein anzusprechen, wenn schon nicht bei den drei Herrschaften kritisch nachzufragen.

Immerhin: Zum Schluss wird Anschober noch zitiert, dass die Versammlungsfreiheit eines der in Österreich garantierten Grundrechte ist (Danke, gnädigster Herr Minister!). Unergänzt bleibt im ORF selbstverständlich hier ein Hinweis auf andere Grundrechte: Etwa die verfassungsrechtlich garantierte Erwerbsfreiheit (z.b. eine Gaststätte zu betreiben), oder das Recht auf Privatsphäre, z.B. indem man ohne staatliche Gängelung Familie, Freunde oder ein Lokal betreten darf. Aber dies passt ja nicht ins Bild unsres grünen Verbotsministers, dessen Regierung über Monate kaum ein Grundrecht der Österreicher unverletzt gelassen hat.