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Werner Reichel (Ideologie: Di, 21.01.2020, 10:00)
Zwischen PR und Verhör

Seit eine mittelböse Partei – die ganze Bösen sind bekanntlich die Freiheitlichen – und eine supergute Partei in der Regierung sitzen, muss der ORF permanent hin- und her switchen. Zwischen streichelweich und kritisch-nachbohrend, zwischen freundlich und ablehnend, zwischen Zuckerbrot und Peitsche, zwischen PR und Verhör.

Beispiel Ö1-Morgenjournal. Im ersten Bericht geht es um den Aufbau von Primärversorgungszentren. Ja, wenn man etwas für die Grünen tun kann, müssen sich selbst Trump, Davos und das „verwüstete“ Australien hinten anstellen. Über diese Zentren wird berichtet, wie über alle Themen, die die grünen Minister betreffen. Das Narrativ ist stets das gleiche: Bisher – unter Türkis-Blau – war alles schlecht, jetzt kommen die Grünen und machen es wieder gut. Komplizierter ist es nicht.

Jetzt kommt Rudi Anschober, nimmt einen fetten EU-Kredit auf – grüne Politik ist immer und ausschließlich mit mehr Kosten, Aus- und Abgaben verbunden – und rettet damit unser Gesundheitssystem. Danke, Rudi. Dieser Beitrag ist ein Advertorial für Anschober und die Grünen. Die Kosten für diese Werbeeinschaltung tragen selbstverständlich die Gebührenzahler.

Nach Anschober tritt ein anderer Oberösterreicher im Morgenjournal auf. ÖVP-Klubchef August Wöginger wird interviewt. Plötzlich ändert sich der Tonfall: Man plaudert nicht mehr mit einem Freund, einem politischen Mitstreiter, sondern sitzt einem Ungustl und Gegner gegenüber. Das hört man, soll man vermutlich auch.

Besonders am Herzen liegt der ORF-Redakteurin das von der ÖVP geplante Kopftuchverbot an Schulen. Gleich mehrfach hakt sie nach, warum der ÖVP dieses Verbot so wichtig sei, obwohl es die Grünen nicht so gut finden. Die ORF-Dame kann offenbar kein Problem darin erkennen, wenn kleine Mädchen in einer westlichen Gesellschaft gezwungen werden, sich zu verhüllen. Weshalb die Interviewerin versucht, Wöginger dieses Kopftuchverbot auszureden.

Auch hier folgt die ORF-Journalistin bzw. Polit-Aktivistin einem starren Schema, das sich durch alle ORF-Interviews und -Beiträge zieht, die die ÖVP betreffen. Warum hört die Volkspartei nicht mehr auf die Grünen, die sind schließlich klüger, sympathischer und vor allem linker. Wöginger, der nicht gerade ein rhetorisches Ass ist, lässt sich von der Redakteurin in die Defensive drängen und eiert peinlich herum.

Ö1 hat sich redlich bemüht, Anschober möglichst gut und Wöginger möglichst schlecht aussehen zu lassen. Dieses binäre Gut-Böse-Schema zieht sich durch die gesamte ORF Berichterstattung über die türkis-grüne Regierung. Und das Beste für den ORF: Egal wie oft sie der ÖVP ans Bein pinkeln, diese wehrt sich nicht. Im Gegenteil, sie biedert sich dem ORF und den Grünen noch mehr an. Sollte die Regierung ein oder zwei Jahre halten, haben wir dank dieses von ORF und Grünen aufgebauten Meinungsdrucks am Ende eine grüne Alleinregierung, weil die Türkisen schon so grün wie die Grünen geworden sind. Das ist das Ziel.