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Werner Reichel (Ideologie: Mi, 29.01.2020, 09:43)
Solche und solche Missbrauchsfälle

Während die meisten TV-Sender über die Corona-Epidemie und die Entwicklungen in Israel berichten, widmet die ZIB2 rund die Hälfte ihrer Sendezeit einem nicht mehr ganz taufrischen Thema. Sozusagen einem ORF-Nachrichten-Evergreen. Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Nein, es gibt keinen neuen Skandal, keine neuen Fälle, es geht um jene, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen, die von der Klasnic-Kommission aufgearbeitet worden sind und über die der ORF schon seit Jahren intensiv berichtet.

Autor Josef Haslinger hat ein Buch darüber geschrieben. Das ist der Aufhänger, warum sich der ORF einmal mehr diesem Thema ausführlich widmet. Nein, es geht nicht darum diese Fälle zu verharmlosen und die Kirche zu verteidigen. Ganz und gar nicht. Es ist aber schon sehr auffällig, dass der ORF den viel schlimmeren Vorkommnissen in den Kinderheimen des roten Wien deutlich weniger Aufmerksamkeit widmet.

Das hat wohl weniger damit zu tun, dass ein mittlerweile verstorbener leitender ORF-Mitarbeiter mit Nähe zur SPÖ am Wilhelminenberg als Erzieher tätig war (siehe Abschlussbericht von 2013, Seite 213). Es hat vielmehr damit zu tun, dass all diese Widerlichkeiten und Grauslichkeiten sich im Umfeld der SPÖ und unter Verantwortung der SPÖ abgespielt haben. Auch die nicht einmal halbherzige Aufarbeitung durch die Stadt Wien wurde vom ORF nie groß thematisiert oder gar kritisiert. Etwa, dass man die Meldefrist für Verdachtsfälle 2016 abrupt beendet hat, obwohl sich noch immer Opfer gemeldet hatten. Dass die Geschichte der meisten Heime bis heute nicht aufgearbeitet worden ist oder, dass viele Personen, die für die Übergriffe verantwortlich waren, nie zur Verantwortung gezogen worden sind, obwohl viele noch am Leben sind.

Und warum geht niemand im ORF oder einer der selbsternannten Investigativ-Journalisten der spannenden Frage nach, wer seinerzeit die Vernichtung aller Akten vom Wilhelminenberg veranlasst hat, um damit die Täter, die Mitwisser und die Verantwortlichen zu schützen? „Es muss wie ein Rollkommando gekommen sein: Lastwagen fuhren im Jahr 1977 beim Schloss Wilhelminenberg vor. Sämtliche Heimakten wurden in die Lkw verladen. Der rasche Abtransport hat nur einem Ziel gegolten: Die Akten zu vernichten“, berichtet der Kurier.

Weil die dafür Verantwortlichen Genossen bzw. Genossinnen sein müssen, verzichten der ORF und die anderen linken „Wahrheitsmedien“ auf genauere eigene Recherchen, Nachforschungen und Nachfragen. Die Täter freut das. Bis heute ist niemand für den systematischen Kindesmissbrauch in den roten Einrichtungen zur Verantwortung gezogen oder an den medialen Pranger gestellt worden.

Beim Weißen Ring, der mit der Entschädigung der Opfer der Wiener Kinderheime betraut war, meldeten sich trotz der kurzen Fristsetzung über 3.000 Betroffene, rund 2000 von ihnen wurden finanziell entschädigt. 52 Millionen Euro zahlte die Stadt Wien - also der Steuerzahler und nicht die Verantwortlichen - an die Opfer. Diese Zahlen sind weit höher als jene der Klasnic-Kommission.

Es ist schon auffällig, wie unterschiedlich der ORF mit Missbrauchsfällen umgeht, als ob es für die Opfer einen Unterschied machen würde, ob sie von einem Priester oder einem Genossen missbraucht worden sind. Sind jene Kinder, die in den Wiener Heimen missbraucht, geschlagen, erniedrigt und zur Prostitution gezwungen wurden, für den ORF nur Opfer zweiter Klasse, weil es die „falschen“ Täter waren, weil das Täter-Opfer-Schema nicht in die eigene linke Vorstellungswelt passt, die sozialistische Idylle stören würde?

Macht der ORF, was er der Kirche vorwirft: Über diese Grauslichkeiten aus dem eigenen weltanschaulichen Umfeld nur das Allernötigste zu berichten, damit sie möglichst wenig Wellen schlagen? Man nutzt die Fälle der Kirche weit über eine angemessene Berichterstattung hinaus, um auf die verhassten „Katholen“, die mittlerweile gesellschaftlich und politisch ohnehin irrelevant geworden sind, einzutreten.

Das zeigt jedenfalls, dass man nicht journalistisch, sondern politisch und ideologisch agiert. Das ist beim ORF alles andere als eine Überraschung, aber wenn es um das Schicksal missbrauchter Kinder geht, stößt es einem besonders übel auf.