ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


Rubriken

Archiv

Andreas Unterberger (Monopol: Di, 31.12.2019, 15:14)
Schwarz-Grün rettet das Überleben des ORF

Denn längst ist nicht einmal mehr jeder dritte österreichische Fernsehapparat auf die Programme ORF eins oder zwei gestellt, wenn der Apparat überhaupt aufgedreht ist. Einst – in Zeiten, da die Zwangsgebühren eingeführt worden sind, – war das noch bei mehr als 90 Prozent der Fall. Allein in den letzten Jahren (von 1995 bis 2018) fielen die Marktanteile steil wie ein Stein:

  • Bei ORF 1 von 27 auf 11 Prozent.
  • Bei ORF 2 von 36 auf 19 Prozent.

Aber in den letzten Tagen und Wochen haben gleich vier Entwicklungen den ORF zusätzlich zur Abwendung der Konsumenten unter Druck gesetzt.

Johnson sagt BBC den Kampf an

An der Spitze ist ausgerechnet Großbritannien zu nennen, das mit der BBC eigentlich als fast einziges Vorzeigeland einer qualitativ anspruchsvollen zwangsgebührenfinanzierten Rundfunkanstalt gegolten hat. Vor allem mit ihren World-Programmen ist die BBC bis heute im Radio wie Fernsehen absolut Spitze. Höchste Qualität und globale Präsenz mischen sich dort mit einer nur leichten, daher erträglichen Linksorientierung, die im Vergleich zu den deutschsprachigen Gebührensendern geradezu wie der Hort aller Objektivitätsanmutungen wirkt.

Ausgerechnet diese BBC ist nun massiv ins Visier des neuen Premierministers Boris Johnson gerückt. Und zwar gleich doppelt: Zum einen hat sich Johnson im Wahlkampf etlichen BBC-Interviews und -Konfrontationen verweigert – und dennoch einen der größten Wahlsiege seit Jahrzehnten errungen. Hier geht es gar nicht darum, ob die BBC-Verweigerung wirklich ein Beweis für die Feigheit Johnsons war, wie dies seine Gegner behaupten. Es beweist aber jedenfalls: Man braucht die einstigen Monopolisten nicht mehr, um Wahlen zu gewinnen. Sie sind unbedeutend geworden. Vielleicht verstärken die britischen Wahlen auch das Rückgrat hiesiger Spitzenpolitiker, sich insbesondere dann zu verweigern, wenn Fernsehmenschen Politiker nicht wirklich interviewen, sondern zu Kasperln von Show-Inszenierungen machen wollen.

Zum zweiten hat nun die Regierung Johnson den Gebührenanspruch der BBC in Frage gestellt. Sie plant zwei Gesetzänderungen: Einerseits soll die BBC keinen Ersatz mehr aus Steuermitteln für die Gebührenbefreiung bestimmter Gruppen bekommen. Und noch wichtiger: Es soll andererseits kein Delikt mehr sein, den BBC-Beitrag nicht zu zahlen. Keine Frage, dass damit die Einnahmen der BBC rasch sinken werden.

Dabei muss man als Österreicher jetzt schon auf die britischen Rundfunk-Verhältnisse neidig sein: Nicht nur wegen der Qualität, sondern auch wegen der Höhe der Gebühren – liegen diese doch unter zwei Dritteln dessen, was jeder hiesige Konsument zahlen muss. Außerdem belästigen die BBC-Sender die Konsumenten nicht mit Werbung und Schleichwerbung, wie es etwa ORF, ARD und ZDF mit hoher Intensität tun.

Gewiss, vorerst sind die Johnson-Pläne bloß Ankündigungen, noch keine Gesetze. Aber beim britischen Hang zur Effizienz ist die Wahrscheinlichkeit auf Realisierung ziemlich groß. Anders als etwa in Italien, wo schon die einstige Linksregierung Renzi einschlägige Vorhaben für einen Abbau der Zwangsgebühren gewälzt hatte, die dann aber wieder in der Schublade verschwunden sind. In Deutschland und Österreich bearbeiten die Gebührenmonopolisten die Politik hingegen heftig mit neuen gierigen Wünschen genau in die Gegenrichtung: Die Gebühren sollen nicht mehr an den Besitz eines Fernsehgeräts oder Radio geknüpft sein, sondern jeder Haushalt soll ganz automatisch zur Zahlung verpflichtet werden.

SPÖ bricht mit ORF

Zumindest erstaunlich ist auch der erstmalige Bruch zwischen ORF und SPÖ. Während die Partei bisher immer einen undurchdringlichen Schutzmantel für den ORF gebildet hat und die dortigen Redaktionen sich umgekehrt immer bewusst gewesen sind, wem sie für ihr Schlaraffen-Dasein dankbar sein müssen, ist das neuerdings ziemlich anders. Die SPÖ hat erkennen müssen, dass die Redaktionen sofort zu den Grünen übergewechselt sind, seit sie selbst Schwächezeichen zeigt; und dass der ORF nur noch in den drei sozialdemokratisch regierten Bundesländern SPÖ-Hofberichterstattung betreibt.

Dennoch ist es mehr als überraschend, wenn der SPÖ-Geschäftsführer jetzt öffentlich den kritischen und drohenden Satz formuliert hat: "Auch für den ORF gelten die Gesetze." Der Anlass dieses Empörungsausbruches: Der ORF hat etwas getan, was er früher niemals getan hätte – er hatte geheime Tonmitschnitte aus einer SPÖ-internen Versammlung gesendet. So etwas war bisher gegenüber Blau und Schwarz üblich, ja selbstverständlich. So etwas ist hingegen gegenüber Grün weiterhin völlig undenkbar.

Reihum entstehen neue Nachrichtensender

Noch bedrohlicher für den ORF ist das Entstehen von gleich mehreren österreichischen Nachrichtensendern. Insbesondere oe24, Kurier, Puls 24 und Krone versuchen sich da. Gewiss ist noch etliches amateurhaft, gewiss agieren die beiden letztgenannten genauso links wie der ORF, gewiss ist es mehr als fraglich, ob dahinter ein funktionierender Businessplan steht, der alle vier jemals in die schwarzen Zahlen bringen wird.

Aber Tatsache ist, dass fast alle größeren Verlagshäuser den ORF ausgerechnet auf jenem Gebiet, mit dem dieser stets seine Existenzberechtigung zu verteidigen versucht hat, links und rechts überholen. Das zeigt, dass sie schon den bevorstehenden Tod des ORF wittern, und dass sie zu diesem Zeitpunkt alle mit einem schon ausgegorenen Produkt auf dem Markt sein wollen. Tatsache ist, dass die an Informationen interessierten Menschen längst über diese Kanäle alle aktuellen Pressekonferenzen live miterleben können und nicht erst auf eine abendliche ZiB mit einigen – meist manipulativ gestalteten – Kurzzusammenschnitten warten müssen.

Die Existenz dieser Sender ist ein eindeutiger demokratiepolitischer Fortschritt – aber sie bekommen vom Gebührenkuchen keinen Cent.

Der Aufstieg von Servus TV

Servus TV – ein klassisches Vollprogramm – fällt schon seit einiger Zeit auf, weil es jeden Abend um 19h20 eine weit interessantere Nachrichtensendung gestaltet, als es die dann auf ORF folgende ZiB ist, wo aus Political Correctness sehr oft das Spannendste unterdrückt wird. Zusammen mit Puls 4 und ATV hat der Salzburger Sender auch fast jeden Tag ein attraktiveres Spielfilm- und Unterhaltungsangebot als der ORF.

Und jetzt greift Servus-Chef Mateschitz für einen noch viel massiveren Angriff auf den ORF zusätzlich in die Tasche: Für 2021 hat Servus TV die exklusiven österreichischen Übertragungsrechte für die Champions-League gekauft. Damit wird dieses massenwirksame Fußballangebot erstmals seit längerem wieder in einem frei empfangbaren TV-Programm zu sehen sein und nicht nur in den kostenpflichtigen Diensten wie Sky oder DAZN. Aber erstmals wird diese Spitzenliga des Fußballs im "Free-TV" nicht im ORF, sondern eben auf Servus zu sehen sein.

Damit wird eine weitere Raketenstufe gezündet, die dem ORF sowohl Werbeeinnahmen kosten, wie auch die Argumentation zur Verteidigung der Zwangsgebühren noch mehr erschweren wird.

Jetzt bleibt den Privilegien-Rittern auf dem Küniglberg nur noch eine Karte, auf die sie nun alles setzen müssen: Das ist das Zustandekommen einer schwarz-grünen Koalition. Gelingt das, dann sind sie wieder einige Jahre gesichert, unabhängig davon, wie wenige Fernseh- und Radiokonsumenten ihre Dienste in Anspruch nehmen. Dementsprechend ist seit Wochen kein kritisches Wort im ORF über den Weg zu Schwarz-Grün zu hören, weshalb viele Österreicher sich dem Glauben hingeben, dass völlig Unvereinbares irgendwie doch vereinbar wäre ...

Die Grünen wissen ganz genau, dass sie ohne ORF kein Comeback ins Parlament geschafft hätten. Und die ÖVP lässt sich seit langem von ihren Landeshauptleuten unter Druck setzen, die sich jeden Abend der ORF-Hofberichterstattung um 19 Uhr erfreuen. Die Landesfürsten sitzen in ihrer Ahnungslosigkeit seit langem der Propagandalüge des ORF auf, dass es ohne ORF kein regionales Fernsehen geben würde. Dabei ist lokale Berichterstattung weltweit der sicherste Quotenbringer ...