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Werner Reichel (Fakten: Do, 16.05.2019, 12:53)
ORF1 im Quotenloch

Wieviel Gebühren und Werbegelder ORF1, einer der beiden ORF-Hauptsender, pro Jahr verschlingt, lässt sich anhand der zur Verfügung stehenden Informationen nicht  feststellen. Es wird ein nicht unerheblicher Teil des Jahres-Budgets von rund einer Milliarde Euro sein. Auch wenn man nicht weiß, was in ORF1 reingesteckt wird, was rauskommt, ist bestens bekannt. Beispiel Mittwoch, der 15.5.2019: Den ganzen Tag über laufen eingekaufte Serien und Filme. Dazwischen eingestreut ein paar Eigenproduktionen wie das Magazin1 und diverse ZiB-Ausgaben, die oftmals nur wenige Minuten lang sind.

Interessant sind vor allem die Quoten: Von 3:00 Uhr in der Nacht bis zur Primetime um 19.30 Uhr liegen die Marktanteile (Seher 12+) zwischen 0 und 4 Prozent. Das bedeutet in absoluten Zahlen, dass in diesen Zeitflächen nie mehr als 67.000 Menschen zusehen, wobei selbst diese 67.000 ein Ausreißer nach oben sind. Über weite Strecken bewegen sich die Zuseherzahlen im einstelligen Tausenderbereich.

Quotenhighlight des Tages mit 8 Prozent Marktanteil und durchschnittlich 219.000 Sehern ist der amerikanische Science-Fiction „Edge of Tomorrow“. Nur noch in der Primetime liegen die ORF Zahlen knapp im dreistelligen Tausenderbereich, meist weit entfernt von der 200.000er-Grenze. Den ZiB-Flash um 21.59 Uhr sahen zumindest 154.000 Menschen. Außerhalb dieses rund drei Stunden langen Zeitfensters sendet ORF1 mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Selbst am Nachmittag, wenn US-Serien in Dauerschleife ausgestrahlt werden, liegen die Zuseherzahlen meist  zwischen 18.000 und 30.000.

Welchen Nutzen hat dieser Sender? Wer braucht ORF1 noch, außer die dort Beschäftigten? Stell niemand in Politik oder ORF eine Kosten-Nutzen-Rechnung an? Wäre es nicht sinnvoller, die enormen Kosten und Ressourcen für den Betrieb von ORF1 gezielt in öffentlich-rechtlichen Content zu investieren?

Und abendliche Bobo-Bespaßung wie Willkommen Österreich würde auch On-Demand, also im kostengünstigeren Internet funktionieren. Diverse Live-Events, die noch hohe Einschaltquoten erzielen, wie Fußball-EM, Ski-Weltcup oder der Song -Contest, können auch auf die Spartenkanäle ORF Sport+ und ORF3 ausgelagert werden.

Was bringt eine Abspielstation von billig eingekaufter Kommerz-TV-Ware, die mehr oder weniger ohne Zuseher vor sich hinsendet. Das kommerzielle Radio Ö3 ist zumindest eine wichtige Einnahmequelle für den ORF. Aber von ORF1 profitieren nicht einmal die ORF-Liebkinder SPÖ und Grüne, sieht man von ein paar linken Bobo-Formaten ab. Wenn man wenigstens mit anspruchsvollen Inhalten und Produktionen  keine Quoten erzielen würde. Aber so? Worauf warten Medienminister bzw. der ORF?  Bis auch der letzte Zuseher weg ist? Wann gedenkt man, die Reißleine zu ziehen?