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Werner Reichel (Personal: Fr, 16.11.2018, 14:24)
Die Ewiggestrigen

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn im Bundeskanzleramt einmal kein Sozialist amtiert, sorgt man sich im ORF lautstark und unablässig um die eigenen Pfründe und die nicht vorhandene Unabhängigkeit. Dann verfassen ORF-Redakteure Resolutionen, Petitionen, offen Briefe, Twitter-Postings und sonstige Apelle, die in düsteren Farben das Ende des ORF und der Demokratie verkünden. Dann steht Österreich vor einer Rundfunk-Apokalypse. Sie belästigen die Bürger mit ihren Zukunfts- und Existenzängsten, weil sie sich, das ist eine Art ORF-Berufskrankheit, viel zu wichtig nehmen.

In der aktuellen Auflage eines solchen Bettelbriefes, einer solchen düsteren ORF-Prophezeiung, sprechen die Mitarbeiter von der „größten existenziellen Krise seit Bestehen". Der sogenannte Redakteursausschuss der österreichischen Rundfunkkolchose fürchtet sich medienwirksam, nachdem der Klassenfeind die Regierungsgeschäfte übernommen hat, von einer „absichtlichen Zerstörung" ihrer Anstalt.

Der ORF, insbesondere das Fernsehen, ist seit den 1950er Jahren fest in roter Hand. Damals sprach man von der „schwarzen Welle“ (Radio) und vom „roten Schirm“ (TV). Seither ist viel Zeit vergangen, heute müsste es heißen: rote Welle, roter Schirm und rotes Netz. In den Jahrzehnten der roten Kanzlerschaft, also ab 1970, hat sich die Macht der Sozis im ORF immer weiter verfestigt, quasi institutionalisiert. Er war die elektronische Ausgabe der Arbeiterzeitung. Linke Echokammern sind kein neues Phänomen, das erst durch die sozialen Medien entstanden ist.

Damals wie heute: Im ORF sitzen fast ausschließlich linke Politaktivsten, die sich von den Österreichern als Journalisten bezahlen lassen. Das geben sie – anonymisiert – mehr oder weniger selbst zu, wie eine Studie von Kommunikationswissenschaftler Andy Kaltenbrunner aus dem Jahr 2007 belegt. Damals bezeichneten sich zwei Drittel der Wiener Rundfunkjournalisten (das sind überwiegend ORF-Mitarbeiter) politisch als links. Bei den Arbeiterkammerwahlen 2009 wählten im Sprengel „Ö3 & Online“ die ORF-Mitarbeiter zu 46% die roten und zu 33,3% die grünen Gewerkschafter. Die schwarzen Arbeitnehmervertreter kamen gerade einmal auf 12,2%. Wer angesichts solcher Zahlen und des täglichen Programmoutputs noch von Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Objektivität spricht, kann nur ORF-Mitarbeiter oder SPÖ-Mitglied sein.

Weil der ORF seit Jahrzehnten tiefrot eingefärbt ist, glauben die Redakteure, sie hätten ein Gewohnheitsrecht. Immerwährende Aufgabe der Rundfunkanstalt sei es, die sozialistische Ideologie zu verkünden, zu fördern und zu verbreiten, auch wenn sich die Mehrheit ihrer Finanziers – sprich: Gebührenzahler – politisch im bürgerlich-konservativen-rechten Lager verortet.

Die Rundfunkgenossen kämpfen für ihre linke Meinungsfabrik, um auch weiterhin gegen die Interessen und Einstellungen der Bevölkerung ansenden zu können. Diese Ewiggestrigen wehren sich mit Händen und Füßen gegen jede Neuerung und Veränderung. Unabhängiger, kritischer Journalismus ist ihnen fremd, sie haben ihn nie praktiziert, auch wenn viele von ihnen ihren linken Weltrettungsauftrag mit Qualitätsjournalismus verwechseln. 62% der Rundfunkjournalisten gaben bei der Studie von Kaltenbrunner an, ihr Sender wäre politisch neutral. Selbst- und Fremdwahrnehmung sind bekanntlich zwei Paar Schuhe.

Was man tatsächlich möchte: Weiterhin in Symbiose mit linken Politikern, Künstlern und dem linken Fußvolk – vulgo Zivilgesellschaft – leben. Ungeachtet dessen, dass diese politmediale Symbiose nicht mehr funktioniert, weil SPÖ und Grüne nicht mehr über genügend Macht und Einfluss verfügen. Da helfen weder Briefe an das Christkind oder Marx noch verlogene Resolutionen, zumal der politische Wandel mittlerweile alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst hat. Auch die Menasses, Turrinis, Fendrichs und Jelineks nimmt außerhalb ihrer eigenen Blase kaum noch jemand ernst, ihre Apelle, ihre Propaganda, ihre Agitation interessiert nur noch die eigene schrumpfende Gemeinschaft linker Gesinnungsgenossen.

Es ist skurril, wenn sich ORF-Redakteure öffentlichkeitswirksam um die Unabhängigkeit ihrer Anstalt sorgen. Wann war der ORF jemals unabhängig, wann hat der ORF jemals annähernd objektiv über die heimische Innenpolitik berichtet? Unter Kreisky, Vranitzky, Klima, Faymann? Lächerlich. Wann soll diese mythische Zeit gewesen sein, als der ORF unabhängigen Qualitätsjournalismus gesendet haben soll, für den man sich nun einsetzt?

Es ist pure Heuchelei, wenn linke Redakteure, die seit Jahrzehnten mehr oder weniger erfolgreich versuchen, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen, jetzt um ihre Unabhängigkeit fürchten. Man liegt gerne im warmen Bett mit Politikern, aber eben nur mit linken. Die ORF-Redakteure sollten endlich ihre Echokammer verlassen, sich abfinden, dass ihnen ihre rote Schutzmantelmadonna abhandengekommen ist, dass die marode SPÖ selbst beim besten Willen nicht mehr in der Lage ist, ihren einst so machtvollen Propagandasender zu unterstützen und vor Konkurrenten, Leistungsdruck und internationalen Entwicklungen mit Gesetzen, Gebührenerhöhungen und sonstigen Maßnahmen zu schützen.

Umgekehrt tut sich auch der ORF schwer, die derangierte SPÖ-Truppe wieder nach oben zu pushen. Man sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dieses Geschäftsmodell hat sich überlebt. Warum sollten sich die Regierung und rund zwei Drittel der Österreicher täglich vom ORF ans Bein pinkeln lassen und dafür noch zahlen? Auch wenn der gemeine linke ORFler Konservative und Rechte für geistesschwach hält, das kann selbst er nicht ernsthaft glauben und erwarten.

Natürlich muss der ORF – aus vielerlei Gründen – reformiert, erneuert und aus seinem linken Kokon geholt werden. Die Regierung hat dabei drei grundsätzliche Optionen:

  1. Sie macht es wie die SPÖ und baut den ORF in einen türkisblauen Propagandaapparat um, was demokratiepolitisch fragwürdig, aber aus Regierungssicht nachvollziehbar wäre.
  2. Sie widersteht dieser Verlockung und versucht aus dem ORF tatsächlich ein unabhängiges Medium zu formen, was mit dem derzeitigen ORF-Personal einer Herkulesaufgabe gleichkommt.
  3. Sie stutzt den ORF dermaßen zusammen, dass er keinerlei politischen Schaden mehr anrichten kann.

Alle drei Möglichkeiten sind für die ORF-Mitarbeiter Alpträume. Ihre eigenen Vorstellungen, den überteuerten, überdimensionierten und anachronistischen roten Propagandaapparat auf Kosten der Österreicher weiter vor sich hinsenden zu lassen, ist hingegen keine Option.

Jahrzehntelang hat sich vor allem die ÖVP in Sachen Medienpolitik von der SPÖ über den Tisch ziehen lassen. Ein fataler Fehler, der nicht nur der ÖVP selbst, sondern vor allem Österreich geschadet hat. Jetzt liegt es an Sebastian Kurz und Medienminister Gernot Blümel, gemeinsam mit der FPÖ, diese schlechte schwarzen Tradition zu beenden und die Rahmenbedingungen für eine politisch unabhängige, pluralistische Medienlandschaft zu schaffen. Davon würden Österreich, seine Bürger und die Demokratie profitieren. Nur der ORF und seine Genossen in der Parteipolitik nicht. Weshalb sie alles tun werden, um das zu verhindern.