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Werner Reichel (Öffentlich-rechtlich: So, 26.06.2016, 10:50)
Die neue Bescheidenheit

Die Public Value-Berichte des ORF sind üblicherweise penetrantes Eigenlob ohne einen Funken Selbstkritik, verpackt zwischen zwei Buchdeckeln. In dieser Staatsfunk-Prosa wird selbst eine Barbara-Karlich-Show zum unverzichtbaren Beitrag für die österreichische Gesellschaft und die Demokratie.

Im Public Value Report 2015/16 hat sich die Tonart etwas geändert. Offenbar hat die ORF-Führung jenen Mitarbeiter, die für diesen Bericht etwas beisteuern durften oder mussten, nahegelegt, angesichts der massiven Vertrauenskrise, in der der ORF und viele andere Medien stecken, sich diesmal etwas zurückzuhalten: Nicht zu dick auftragen und neben der obligaten Selbstbeweihräucherung auch den ein oder anderen selbstkritischen Zwischenton einflechten.

Das gelingt zwar eher schlecht als recht, die ORF-Mitarbeiter können ihr über die Jahre entwickeltes Selbstverständnis, ihren politisch-korrekten Eifer und ihre Verachtung gegenüber Konkurrenten und Kritikern nur schwer ablegen. Trotzdem, der Versuch etwas bescheidener aufzutreten, den Ball angesichts der eher trüben Stimmung etwas flacher zu halten, ist nicht zu überlesen. Das ist auch kein Wunder: Die linken Mainstreammedien und insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen sich, seitdem sie sich intensiv als Welcome-„Refugee“-Propagandisten betätigen, mit dem Vorwurf der „Lügenpresse“ abquälen.

Der ORF weist diese Kritik zwar stets empört als völlig unbegründet und als dumme Hetze rechtspopulistischer oder rechtsextremer Kreise zurück; liest man aber den Public Value Report, so ist unschwer zu erkennen, dass diese Kritik an den Staatsfunkmitarbeitern nagt, dass sich Verunsicherung in ihren Reihen breitmacht. Der Lack ist ab, die Zeiten, als viele Österreicher dem Rundfunk, sprich dem ORF, noch blind vertraut haben, sind lange vorbei. 50 Prozent Hofer-Wähler trotz intensivster ORF-Propaganda, das gibt den einst so selbstbewussten Staatsfunkern zu denken. Ihre Macht und ihre Fähigkeit, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, schwinden dahin.

Der einstmals große Welterklärer hat plötzlich selbst Erklärungsbedarf. In so einer Situation auf dicke Hose machen wäre unklug. Das fällt so manchem langgedienten ORF-Mitarbeiter aber sichtlich schwer, wie solche Zitate aus dem aktuellen Public Value Report beweisen: „Wir aber wollen dem Guten, Edlen und Richtigen zustreben. Die Welt verbessern.“  Das hat nicht Papst Franziskus oder der Dalai Lama gepredigt, das ist auch nicht ironisch gemeint. So sehen viele ORF Mitarbeiter nach wie vor sich, ihre Mission und die Welt. Der Staatsfunk kämpft mit seinen Zwangsgebührengeldern mutig gegen die Mächte der Finsternis, also gegen Kapitalisten, Neoliberale, Donald Trump, die FPÖ und überhaupt gegen alle Rechtspopulisten dieser Welt. Unfreiwillig komisch klingen angesichts der politisch-korrekten ORF-Dauerpropaganda solche Statements: „Durch umfassende Information schafft der ORF eine VERTAUENSwürdige Grundlage zum Verständnis der Welt.“  Da liegen Selbst- und Fremdwahrnehmung seeehr weit auseinander. Doch solch aufgeblasenes Gedöns ist diesmal eher die Ausnahme. Man versucht sich in neuer Bescheidenheit.

Das Motto des aktuellen Public Value Reports ist „AUFmachen“. Dabei geht es aber nicht, wie man vermuten könnte, um das Aufmachen der österreichischen Grenzen und der Geldbörsen der Gebührenzahler, die sind ohnehin bereits weit geöffnet, sondern in erster Linie um die Rolle der Sozialen Medien in der Gesellschaft und die Berichterstattung über die Völkerwanderung 2.0. Diese beiden Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch den über 240 Seiten langen Report. Das beschäftigt den ORF, das nagt, das macht ihm Angst. Im dem Bericht versucht der ORF seine bedrohte Existenz als Staatsfunk und Gebührenmonopolist zu rechtfertigen, indem er sich als vertrauenswürdiger und notwendiger Gegenpol zum (noch) weitgehend unkontrollierten Internet mit seinen ungefilterten Informationen und Nachrichten positioniert.

Das ist zwar völlig abstrus, weil die öffentlich-rechtlichen Medien, sowohl die deutschen als auch der ORF, erst über die massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht berichtet hatten, als es aufgrund des massiven Drucks durch die soziale Mederin nicht mehr anders ging. Selbst nach dieser Demaskierung meint ausgerechnet der ORF: „Der Vorwurf der ‚Lügenpresse‘ und die zahlreichen, mittlerweile sichtbar gewordenen Negativeffekte der Kommunikation im Netz, könnten somit Bedingungen schaffen, die zu einer geradezu historischen Chance für öffentlich-rechtliche Medien führen.“ Ja, „könnte“. Diese Chance hat der ORF aber längst verspielt. Der Staatsfunk ist das Problem, nicht die Lösung. Wer freie Meinungsäußerung und freien Informationsaustausch im Internet als Gefahr und einen politisch abhängigen Staatsfunk als Chance für eine lebendige Demokratie sieht, der hat vieles im Sinn, nur keine freie Gesellschaft.

Dass die Sozialen Medien nach Ansicht des ORF der Korrektur und der Überwachung durch den Staatsfunk bedürfen, ist skurril, zumal es genau umgekehrt funktioniert. Viele ORF-Konsumenten nutzen die neuen Medien mittlerweile dazu, um die Staatsfunkpropaganda einem raschen Faktencheck zu unterziehen. Und dabei wird der ORF immer wieder bloß gestellt.

So geschehen etwa im Präsidentschaftswahlkampf, als Ingrid Thurnher Norbert Hofer unterstellt hatte, einen Polizeieinsatz bei seinem Israelbesuch frei erfunden zu haben. Innerhalb weniger Minuten wurde diese Behauptung auf Facebook und Twitter mit Meldungen aus Israel, etwa von der Jerusalem Post, widerlegt. Angesichts solcher „Pannen“ gibt man im Public Value Bericht zu: „Auf der anderen Seite haben sich die Befürchtungen der Wutbürgerinnen und Wutbürger bewahrheitet.“  Auch die leiseste Selbstkritik muss der ORF noch mit Verächtlichmachung seiner widerborstigen Gebührenzahler kompensieren.

Die ORF-Konsumenten sind dank neuer Medien besser informiert, selbstbewusster und kritischer als früher. Sie lassen sich nicht mehr so leicht manipulieren, können ORF-Lügen schnell und sicher entlarven. Nicht der Privatrundfunk, sondern Facebook, Twitter und Co. machen dem ORF die Arbeit als linker Meinungsmacher zunehmend schwerer.

Als orf.at etwa aus einem Mordversuch an einem Identitären ganz einfach eine Attacke auf einen linken Demonstranten machte, war es ausschließlich aufmerksamen Bürgern und den Sozialen Netzwerken zu verdanken, dass diese Falschmeldung umgeschrieben werden musste. Der ORF gerät immer öfter in die Defensive. Mit kritischen Rezipienten und dem fortschreitenden Bedeutungsverlust können die ORF-Mitarbeiter nur  schlecht umgehen.

Das ist eine Erkenntnis aus diesem Public Value Report. Das Wort „Haltung“ liest man in diesem Bericht besonders oft. Haltung sei in Zeiten wie diesen besonders wichtig. Mit Haltung ist selbstredend linke Gesinnung gemeint. Was sonst?  Es braucht also weitere Dämpfer, bis man im ORF tatsächlich umzudenken beginnt und es einfach einmal mit  objektivem Journalismus versucht.