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Werner Reichel
 

Es ist ein morgendliches Ritual. Zum Kaffee um sieben Uhr höre ich werktags das Ö1-Morgenjournal. Informiere mich, was die Linken so bewegt und interessiert. Das treibt den Puls nach oben, danach bin ich putzmunter. Heute war es besonders schlimm. Rund die Hälfte der Sendezeit ist dem nahenden Weltuntergang gewidmet, der Klimaapokalypse. Wobei die Hysterie von Klimagipfel zu Klimagipfel größer wird. Derzeit trifft sich die Weltuntergangscommunity in Spanien, man reist standesgemäß mit dem Flugzeug an.

Die Ö1-Moderatorin startet mit den Worten: „Die Zeit drängt!“ Doch die Warnungen der Klimaschützer verhallen, „ohne dass dem Ernst der Lage die entsprechenden Taten folgen“. In Madrid versuche man nun die schlimmsten Folgen „des bereits eingetretenen Klimawandels“ abzuwenden. Des bereits eingetretenen? Hat sich das Klima früher nicht verändert?

In dieser alarmistischen bis hysterischen Tonart geht es weiter. Spanien-Korrespondent Josef Manola will seiner Kollegin in Sachen Panikmache nicht nachstehen: „Damit aus einer Klimakrise (…) keine Klimakatastrophe wird (…)“, leitet er seinen Beitrag ein.

Über den Ernst der Lage müsse nicht mehr gestritten werden, betont Manola. Und wenn es darum geht, die Welt mit schönen Worten zu retten, ist unser Bundespräsident Van der Bellen nicht weit. Er darf heute in Madrid predigen. Schließlich wisse auch er, dass uns die Zeit davonlaufe. Danach legt die Ö1-Dame noch einmal nach und spricht von einer dramatischen Lage. Da bleibt einem fast das Buttersemmerl im Hals stecken.

Doch Rettung naht. Schließlich stehen unsere Grünen kurz vor ihrer ersten Regierungsbeteiligung. Die Koalitionsverhandlungen sind das nächste Thema im Journal. Der Ton ist nicht mehr alarmistisch, sondern optimistisch bis beschwingt.

In Österreich wirken aber nicht nur die Kräfte des Guten. Nach der türkisgrünen Eheanbahnung geht es einmal mehr um die FPÖ und die Casinos Austria. Danach leitet die Ö1-Dame elegant zum Politmord auf Malta über: „Die Ermittlungen in der Causa Casinos Austria ziehen sich hierzulande bis in die höchsten politischen Kreise, auf Malta wird der Mord an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia immer mehr zum Debakel für die Regierung.“ Was will sie uns damit sagen?

Dass blauer Postenschacher in Österreich und die Ermordung einer Journalistin eh fast das Gleiche ist? Für das nächste Thema fällt der Moderatorin leider keine knackige Überleitung mehr ein. Es geht um das „System Chorherr“. Eine Untersuchungskommission beschäftigt sich ab heute mit Chorherr und den Subventionen an städtische und parteinahe Vereine. Konkreter Anlass war, laut Beitrags-Gestalter „ein Spendenverein für ein Schulprojekt in Südafrika, in dem auch(!) der Grüne Christoph Chorherr tätig gewesen ist“. Das wars. Mehr ist Ö1 dazu nicht eingefallen. Eine journalistische Glanzleistung.

Der gute ORF-Mann erwähnt in seinem eher informationsarmen Beitrag auch, dass sich die Kommission den Verein Wiener Kinder- und Jugendbetreuung ansieht, deren Geschäftsführerin Brigitte Kopietz war, Gattin des Wiener SPÖ-Urgesteins Harry Kopietz. Warum sich die Kommission mit dem Verein bzw. Frau Kopietz beschäftigt, erfährt der Hörer leider nicht. Ist nicht wichtig, sondern für Ö1-Hörer gaaaanz langweilig.

Die Krone berichtete: „Im November 2016 erhielt die Geschäftsführerin (Frau Kopietz) kurz vor der Pensionierung eine Gehaltserhöhung rückwirkend ab Jänner 2016. Obwohl sie bereits in der höchsten Gehaltsstufe ihrer Dienstklasse (9314,51 Euro brutto im Monat) war. (…) Die Auszahlung von freiwilligen Jubiläumsgeldern ab 2010 bewirkte eine finanzielle Mehrbelastung des Vereins um 790.000 Euro - und damit letztlich auch der Steuerzahler.“ Nur Peanuts. Nichts, worüber man auf Ö1 berichten würde.

Und wie jeden Morgen informiere ich mich nach dem Ö1-Journal bei halbwegs objektiven Medien darüber, was in der Welt wirklich los ist. Auch das gehört zum Ritual.