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Werner Reichel
 

Es war der böse Boulevard und nicht die investigative Qualitätspresse. Oe24 hat die Geschichte vor wenigen Tagen ins Rollen gebracht. Zögerlich haben ein paar Medien die Story aufgegriffen und über die laufenden Ermittlungen in der Causa Christoph Chorherr berichtet.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Bestechung, Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit gegen sieben Personen und einen Verein. Es geht um riesige Geldsummen. Einzelspenden in der Höhe von über 800.000 Euro sind an einen Verein geflossen, den Chorherr gegründet hat. Die Großspender stammen aus der Immobilienbranche, der Grüne Chorherr war zu dieser Zeit Mitglied des Planungsausschusses und stellvertretender Vorsitzender im Wohnbauausschuss im Wiener Rathaus. Die äußerst großzügigen Spenden hätten keinerlei Einfluss auf sein politischen Entscheidungen gehabt, so der Verdächtige.

Nachdem man die Berichterstattung in "Österreich", auf oe24.at und im Kurier nicht völlig ignorieren kann, muss auch der ORF über die für die selbsternannte grüne Sauberpartei äußerst unangenehme Affäre berichten. Er tat es in einer Weise, wie man es sich vom rotgrünen Parteifunk erwarten durfte.

Beispiel Mittagsjournal: Die unangenehme Chorherr-Geschichte wird hinten im einstündigen Journal versteckt. Man erreicht damit zweierlei, erstens hören diesen Beitrag weniger Menschen als zu Beginn des Journals, zweitens ist es eine Botschaft an die Hörer: Die Affäre ist nicht sonderlich wichtig bzw. spannend.

Anmoderiert wurde der Beitrag so: „Vorwürfe der Korruption hat es in den vergangenen Wochen vor allem betreffend die Freiheitlichen gegeben und die Volkspartei war wegen umstrittener Parteispenden in der Kritik.“

Noch bevor auch nur einmal die Grünen erwähnt werden, hat man schon an prominenter Stelle darauf hingewiesen, dass FPÖ und die ÖVP in Skandale verstrickt seien. Diesen rhetorischen Uralt-Trick nennt man Whataboutism. Er dient dazu, von Skandalen und anderen unangenehmen Dingen abzulenken, sie zu relativieren, indem man mit dem Finger auf andere zeigt. Danach betont die Ö1-Sprecherin, dass nun eine grüne Affäre „neu beleuchtet“ werde.

Nur ein alter Hut, so die Botschaft. Es gehe um eine Spendensammlung für Südafrika, ergänzt die Ö1-Dame. Das wiederum soll Chorherr in ein möglichst gutes Licht rücken. Dabei geht es in der Affäre nicht darum, was Herr Chorherr angeblich oder tatsächlich mit den Hunderttausenden Spendeneuros angestellt hat.

Was die Korruptionsstaatsanwaltschaft interessiert, ob es einen Zusammenhang zwischen den enormen Geldbeträgen, die Immobilienfirmen an einen von Chorherr gegründeten Verein gespendet haben, und den Umwidmungen von Liegenschaften gibt.

Was Chorherr mit den eingesammelten Geldern gemacht hat, spielt keine Rolle. Und gleich nochmals relativiert Ö1 die Affäre, indem man Chorherr noch in der Anmoderation zitiert: Das alles sei nur eine für den Wahlkampf aufgekochte Sache.

Auch im Beitrag kommt der Verdächtige ausführlich zu Wort, obwohl er gar kein Interview gegeben hat. Ö1 spielt eine ältere Aufnahme ein, in der Chorherr ausführlich darlegen durfte, dass er mit diesen Geldern Schulprojekte in Afrika finanziert habe und er in jeder Hinsicht unschuldig sei.

Außer Chorherr kommt im Ö1-Beitrag über Chorherr niemand zu Wort. Statements von politischen Mitbewerbern oder eines investigativen Journalisten hätten die weichgespülte ORF-Version dieses Skandals kontakariert. Auch Parteichef Werner Kogler und der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein ersparte man peinliche Fragen zur Causa. Die Grünen sind diesebzüglich auf Tauchstation gegangen. Auch das bleibt unerwähnt, obwohl es ein bezeichnendes Licht auf die selbsternannte Sauberpartei wirft.

Deshalb zitiert man lieber den grünen Spendenprofi Chorherr gleich nochmals. Diesmal aus einer SMS, die er zu seiner Verteidigung versandt hat. Darin betont er einmal mehr, dass die Geschichte nur deshalb in den Medien thematisiert werde, weil Wahlen vor der Tür stehen. Das hatten wir schon. Egal. Doppelt hält besser. Im Gegensatz dazu war der Zeitpunkt der Veröffentlichung des zwei Jahre alte Ibiza-Videos reiner Zufall. Und auch die ÖVP-„Skandale“, die im Wochenrhythmus vom Falter veröffentlicht und vom ORF aufgeblasen werden, haben nichts mit der anstehenden Nationalratswahl zu tun.

Zum Schluss weist der Beitragsgestalter darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft bisher keine Hausdurchsuchung durchgeführt habe, was man als entlastend deuten könne.

Schon ist man beim nächsten Thema. Pflicht erfüllt, Thema abgehakt. Conclusio: Eine uralte, von hinterlistigen Medien vor der Wahl aufgekochte Geschichte, die den Grünen schaden soll, obwohl, wie allgemein bekannt ist, Christoph Chorherr ein grüner Philanthrop ist. In dem Beitrag wurde nicht einmal versucht, die Causa und deren Hintergründe zu beleuchten: Wer hat welche Summen gespendet, welche Verbindungen gibt es, wer hat von Flächenumwidmungen profitiert etc. Nichts.

Müssten die Grünen die Werbung, die Sendezeit, die Propaganda und das Krisenmanagement des ORF bezahlen, sie würden das Wahlkampfkostenlimit um ein x-Faches überschreiten.

Deutlicher kann der ORF seine Parteilichkeit, seine Nähe zu den Grünen nicht unter Beweis stellen. Während man auf der einen Seite die journalistischen Grenzen ausreizt und selbst harmlose Geschichten zu einem Skandal aufbläst – Beispiel Schredder-Affäre – arbeitet man auf der andern Seite mit allen journalistischen Tricks, um die Affären seiner linken Gesinnungsgenossen möglichst klein zu halten.

Stellt sich die Frage, ob Sebastian Kurz und die FPÖ, so sie erneut koalieren, aus der aktuellen Wahlkampfberichterstattung des ORF gelernt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen haben. Vermutlich nicht. Sie träumen wohl noch immer davon, dass sie, wen sie nur brav und lieb genug sind, vom ORF dasselbe Rundum-Sorglospaket bekommen wie die Grünen.