ORF-Watch.at Die unabhängige Kontrolle des Gebührenmonopols


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Werner Reichel
 

Alexander Wrabetz hat einen Plan. Er will seine Anstalt mit den heimischen Medienunternehmen stärker vernetzen. In einem Interview mit dem Branchenmagazin Horizont hat der ORF-Chef gleich sechs geplante Allianzen aufgezählt. Ziel ist offenbar, relevante private Medienunternehmen an den ORF zu binden, um die eigenen Position zu festigen und zu stärken. Wenn die heimischen Medienhäuser finanziell, technisch, organisatorisch, über Content oder Vermarktung vom staatlichen Medienriesen über ein engmaschiges Netzwerk abhängig sind, ist das die beste Absicherung für die Zukunft des ORF. Ein Art Bestandsgarantie. Mit einer solchen Macht ausgestattetet, kann der ORF auch dann Regierungsperioden übertauchen, wenn seine roten Gesinnungsgenossen nicht das Sagen haben.

Diese ORF-Strategie ist nicht neu, angesichts der rasanten Entwicklungen in der Medienbranche, des technologischen Fortschritts und der neuen politischen Machtverhältnisse im Land sind solche weitreichenden Maßnahmen und Zweckbündnisse für den Staatsfunk aber überlebenswichtig. Noch dazu, wenn man mit extrem einseitiger Berichterstattung und selbst gebastelten Nazi-Skandalen permanent ungut auffällt.

Der ORF zieht die Medienhäuser auf seine Seite, um sich besser gegen mögliche Pläne der Regierung, den ORF zu verkleinern, teilzuprivatisieren oder gar abzuschaffen, abzusichern. Wrabetz verkauft diese Strategie gerne als notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Medienstandortes Österreich. Der Staatsfunk als Retter und Beschützer der heimischen Medienlandschaft.

Ganz so uneigennützig ist der ORF natürlich nicht. Dass es Wrabetz in erster Linie um die Erhaltung des Rundfunkparadieses am Küniglberg  geht, versteht sich von selbst. Der staatliche Mediendinosaurier mit der DNA eines schwerfälligen Monopolisten und seine Mitarbeiter mit ausgeprägter Beamtenmentalität tun sich angesichts eines sich schnell verändernden Umfeldes zusehends schwerer, sich über Wasser zu halten. Deshalb braucht es diese Verankerung und Absicherung in mehrere Richtungen.

Eines seiner Hauptprobleme: Dem ORF brechen die Jungen weg, egal ob in TV, Radio oder Internet. Für den heimischen Nachwuchs spielt der ORF kaum noch eine Rolle. Keine rosigen Zukunftsaussichten, wenn einem auf lange Sicht die Seher und Hörer wegsterben. Das liegt zum einen daran, dass die Marke ORF bei jungen Menschen kein positives bzw. gar kein Image mehr hat, zum anderen am veränderten Mediennutzungsverhalten. Lineares Fernsehen und Radio, die beiden wichtigsten Standbeine des ORF, verlieren bei jungen Mediennutzern zusehends an Bedeutung.

Auch inhaltlich hat der ORF Jugendlichen wenig zu bieten. Die politische Ausrichtung seiner Info-Schiene deckt sich kaum noch mit den politischen Einstellungen und dem Wahlverhalten der jungen Menschen. Das trifft in hohem Maße auch auf die Gesamtbevölkerung zu. Wer permanent gegen die Interessen und Werthaltungen von ca. 60 Prozent der Bürger ansendet, verliert eben langfristig Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Reichweite. Seine roten, politischen Schutz- und Schirmherren zufriedenzustellen, war dem ORF schon immer wichtiger als der lästige Gebührenzahler.

Angesichts neuer Machtverhältnisse braucht es neue Allianzen. Sie zu schmieden, darin hat der ORF jahrzehntelange Erfahrungen. Zu Zeiten, als der österreichische Medienmarkt noch überschaubar war und im Wesentlichen aus ORF und Printmedien bestand, machten die Zeitungen und der ORF gerne gemeinsame Sache. Mit der damals noch allmächtigen SPÖ als Freund und Beschützer an seiner Seite und der Marktmacht eines Rundfunkmonopolisten ausgestattet, gelang es dem ORF meist, den VÖZ (Verband österreichischer Zeitungen) bei solchen Absprachen über den Tisch zu ziehen.

Die Medienhäuser waren (und sind) auf den ORF in vielen Bereichen angewiesen. Kaum eines von ihnen wagte es, sich es mit dem Staatsfunk zu verscherzen. Freie Marktwirtschaft und Konkurrenz waren damals noch weniger Thema als heute. Im Zuge der langwierigen und langjährigen Rundfunkliberalisierung gab es viele Absprachen und Packeleien zwischen ORF und privaten Medienhäusern. Sie hatten zumeist das Ziel, den Rundfunkmarkt vor lästiger neuer Konkurrenz zu schützen. Man wollte im österreichischen Schrebergarten unter sich bleiben und warnte eindringlich vor neuen Marktteilnehmern aus dem In- und vor allem aus dem Ausland.

Ganz oben auf der schwarzen Liste standen damals die deutschen Medienkonzerne. Sie dienten ORF und Zeitungen als Schreckgespenst für Politik und Bevölkerung, um die eigenen Markt- und Machtpositionen abzusichern. Da waren sich die großen heimischen Medienhäuser und der Staatsfunk weitgehend einig.

Das hörte sich so an: „Angesichts der Tendenz zur Überfremdung(!) der österreichischen Wirtschaft sollte sichergestellt werden, dass die elektronischen Medien ausschließlich von Österreichern kontrolliert werden.“ Der VÖZ in den 1980ern. Linke ORF-Kuratoren setzten noch einen drauf: „Wir müssen jetzt sehr gut und schnell überlegen, wie wir verhindern, dass Ausländer in den österreichischen Markt einbrechen.“  Ja, damals wie heute sorgte sich der ORF rührend um den „Medienstandort“. Daran hat sich nichts geändert, nur die ausländischen Bösewichter sind nicht mehr deutsche Medienkonzerne, sondern heißen Netflix, Amazon, Google, Spotify, Facebook oder YouTube.

Bei solchen Konkurrenten, bei solchen internationalen Medienriesen nutzen auch politische Nahverhältnisse zu SPÖ und Grünen nichts mehr, zumal die einen nicht mehr in der Regierung, die anderen nicht einmal mehr im Parlament sitzen. Angesichts der Macht von Google, Facebook und Co. muss auch der ORF umdenken.

So ist etwa eine „Log-In-Allianz“ geplant. Ein solche Zusammenarbeit gibt es in Deutschland bereits. Beteiligt daran sind die Konzerne von RTL, Pro Sieben, United Internet (web.de, gmx) und Zalando. Es geht um ein gemeinsames, einfaches Anmeldeverfahren samt transparenter Datenverwaltung mit Hinblick auf die neuen strengen europäischen Datenschutzbestimmungen. Weitere Allianzen sind in den Bereichen G5 (neuer und schnellerer Mobilfunkstandard), Content (vor allem Video), Vermarktung (Online) und Streaming angedacht.

Wrabetz kann dabei auf die Unterstützung von ÖVP-Medienminister Gernot Blümel zählen. Der Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz verfolgt ganz ähnliche Ziele. Blümel in einem Interview mit dem Standard: „Der ORF muss sich zu einem Partner der Privaten weiterentwickeln, und das Gegnerdenken innerhalb von Österreich muss endlich abgestellt werden.“

Das klingt nach einer gefährlichen Drohung. Was dabei rauskommen wird - und soll? -, ist ein staatlicher Medieneinheitsbrei, wo alle wichtigen Marktteilnehmer, vor allem im Onlinebereich, miteinander verbunden werden und dieselben Ziele verfolgen. Keine schöne Vorstellung. Wo, und das ist ja offensichtlich eines der Hauptziele, andere und neue Unternehmen ferngehalten werden. Eine österreichische Medientrutzburg, ein Medienkartell unter der Schirmherrschaft des Medienministers. Der versucht zu beruhigen: „Auch wenn man einen Teil der österreichischen Medienkonzerne zusammenspannt, ist das noch immer keine marktbeherrschende Stellung.“

Aber am Ende soll dann doch eine große liebe heimische Medienfamilie entstehen, in der der ORF die Rolle der Eltern übernimmt und sagt, wo es lang geht. Blümel: „Der ORF sollte mit seiner Größe und Reichweite ein Schuhlöffel sein für private Marktteilnehmer, die österreichische Inhalte produzieren, österreichische Information. Seine Reichweite auch zur Verfügung zu stellen, um gemeinsam im digitalen Raum langfristig zu überleben.“

Offenbar sind sich Blümel und Wrabetz in den wichtigen Zukunftsfragen einig: Die anachronistische öffentlich-rechtliche Anstalt nicht nur nicht auf eine für Demokratie und Martkwirtschaft annehmbares Maß zurechtzustutzen oder gar abzuschaffen, sondern zu stärken und noch fester im Markt zu verankern. Man tauscht untereinander Content aus, vermarktet sich gemeinsam, teilt sich Datenbanken, tritt gemeinsam auf - zum Beispiel gegenüber Telekommunikationsunternehmen -, schmiedet Allianzen etc. Das alles unter dem Deckmantel, die böse ausländische Konkurrenz abzuwehren und die österreichische Identität zu bewahren.

Wenn man sie für die eigenen Ziele instrumentalisieren kann, wird die ansonsten so verpönte österreichische Identität selbst von Menschen wie Wrabetz hervorgekramt. Und dass der ORF nicht gerade der beste Ansprechpartner dafür ist, wenn es darum geht, österreichische Interessen – also die Interessen der Österreicher -  zu vertreten und abzubilden, das hat er in den vergangenen Jahrzehnten eindrücklich bewiesen.

Der Preis für die geplanten Mediennetzwerke zur Abwehr von Google und Co. ist sehr hoch, für eine entwickelte, westliche Demokratie zu hoch. Eine freie Gesellschaft braucht freie und (voneinander) unabhängige Medien, sprich eine vielfältige Medienlandschaft und keinen staatsnahen Einheitsbrei.

Bereits jetzt haben die meisten großen österreichischen Medien eine schwere linke Schlagseite, haben zu den großen und zukunftsweisenden politischen Fragen mehr oder weniger dieselbe Meinung. Eine linke Meinungswüste.  Statt diesen Filz weiter zu verdichten, sollte man ihn durchlüften. Dazu braucht es nicht noch mehr Allianzen und Gesetze, sondern lediglich das freies Spiel der Kräfte, ohne einen staatlich geschützten Mediendinosaurier als Aufpasser, der den gesamten Markt verzerrt.

Dass die Pläne von Wrabetz in eine ganz andere Richtung gehen, ist aus seiner Sicht konsequent und richtig. Aber von Seiten der ÖVP, die in schlechter und undurchdachter Medienpolitik eine lange Tradition hat, sollte man schon etwas schlauere Pläne zur Neuordnung des „Medienstandortes“ erwarten können. Ob sich die FPÖ gegen diese Allianz durchsetzen wird können, bleibt fraglich.

Die Links zu den beiden Interviews:

Alexander Wrabetz

Gernot Blümel